Schwestern der Dunkelheit
ich ihn im Gebüsch fallen lassen. Sie ist immer noch draußen und sucht.«
Thea zog den Bindezauber aus ihrem Rucksack.
Zwei anatomisch korrekte Püppchen, beide aus dem blauen Wachs, den Blaise für ihren Schmuck benutzte. Wunderschöne kleine Kreaturen - Blaise war eine Künstlerin. Die männliche Puppe enthielt das Papiertuch mit Eriks Blut und ein einzelnes sandfarbenes Haar, das Thea an ihrer Schulter gefunden hatte.
Thea legte Pilars Türkisring um die Füße der weiblichen Puppe und band ihn mit einem roten Faden fest. Dann streckte sie die Hand aus.
Blaise förderte aus ihrem Rucksack eine verkorkte, sechseckige Flasche zutage. Die Flüssigkeit darin bestand aus allen möglichen abstoßenden Zutaten, einschließlich gemahlenem Bezoarstein. Thea hielt den Atem an, während sie die Flüssigkeit über die beiden Figuren goss, die sofort zu qualmen begannen.
»Jetzt binde sie zusammen«, sagte Blaise hustend und wedelte mit einer Hand, um besser atmen zu können.
»Ich weiß.« Thea nahm ein dünnes, scharlachrotes Band von gut zwei Metern Länge und begann geduldig, es um die beiden Figuren zu wickeln. Es hüllte sie ein wie Mumien. Schließlich schob sie das lose Ende in eine Schlaufe.
»Und da sind sie«, verkündete Blaise. »Aneinandergebunden bis zum Tod. Herzlichen Glückwunsch. Mal sehen, es ist jetzt Viertel nach zehn, also sollte er deine Existenz bis ... sagen wir, zehn Uhr sechzehn vergessen haben.« Sie fuhr sich durchs Haar, und es floss wie schwarzes Wasser durch ihre Hände, als sie sich reckte.
Thea versuchte zu lächeln.
Der Schmerz war schrecklich. Es war, als sei Thea ein Teil ihres Körpers amputiert worden. Sie fühlte sich nackt und blutend und vollkommen außerstande, sich mit Dingen wie Französisch oder Trigonometrie zu beschäftigen.
Das Leben musste mehr zu bieten haben. Ich werde irgendwo hingehen und etwas für andere Leute tun; ich werde in Dritte-Welt-Ländern arbeiten oder versuchen, gefährdete Tierarten zu retten.
Aber der Gedanke an künftige gute Werke half nicht gegen den rohen Schmerz. Oder gegen das Gefühl, dass sie, wenn der Schmerz aufhörte, einfach benommen und nie wieder glücklich sein würde.
Und all das für einen Menschen ...
Aber es funktionierte nicht mehr. Sie konnte nicht in ihre alte Denkweise zurückfallen. Menschen mochten fremdartig sein, aber sie waren trotzdem Leute. Personen. Sie waren genauso gut wie Hexen. Nur anders.
Es gelang ihr, den Schultag bis zur letzten Stunde zu überstehen, ohne Erik zu begegnen - was im Wesentlichen bedeutete, dass sie sich herumdrückte und erst um die Ecken huschte, nachdem es geklingelt hatte, und zu spät zum Unterricht kam. Nach dem letzten Läuten wollte sie gerade zu dem Klassenzimmer, in dem Dani war, als sie beinahe mit Pilar zusammenstieß.
»Thea!«
Die Stimme klang überrascht. Thea schaute auf.
Dunkle, bernsteinbraune Augen, umrahmt von langen, schwarzen Wimpern. Pilar sah sie sehr seltsam an.
Staunst du über dein Glück?, dachte Thea. Hat Erik dir schon einen Antrag gemacht? »Was?«, fragte sie.
Pilar zögerte, dann schüttelte sie den Kopf und ging weiter.
Thea schlüpfte in den Geschichtsraum.
»Thea!«, sagte Dani.
Heute klingen doch alle gleich.
»Wo bist du gewesen? Erik sucht überall nach dir.«
Natürlich, ich hätte es wissen müssen. Blaise hat sich geirrt - er wird mich nicht einfach vergessen und gehen. Er ist ein Gentleman; er wird mir mitteilen, dass er geht.
»Kann ich mit dir nach Hause fahren?«, fragte sie Dani unglücklich. »Ich brauche ein wenig Raum für mich.«
»Thea ...« Dani zerrte sie in eine Ecke und sah sie mit ängstlichem Blick an. »Erik will dich wirklich finden ... Aber was ist los?«, flüsterte sie. »Geht es um Suzanne? Die alte Turnhalle ist immer noch geschlossen, oder?«
»Damit hat es nichts zu tun.« Sie wollte gerade vorschlagen, dass sie aufbrechen sollten, als eine hochgewachsene Gestalt durch die Tür trat.
Erik.
Er kam direkt auf Thea zu.
Die Schüler, die um das Pult des Lehrers herumstanden, schauten neugierig zu. Der Lehrer schaute zu. Thea kam sich vor wie in einer Freakshow.
»Wir müssen reden«, sagte Erik energisch.
So hatte sie ihn noch nie zuvor erlebt. Er war bleich und hatte glasige Augen und eingefallene Wangen. Irgendwie gelang es ihm, so auszusehen, als habe er seit diesem Morgen eine Woche Schlaf versäumt.
Und er hatte recht. Sie mussten reden, um es
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