Schwestern der Nacht
wollen...«, erklärte der Bademeister mit kriecherischer Ergebenheit. »Darf ich Ihnen inzwischen etwas zu trinken bringen — auf Kosten des Hauses, versteht sich?«
Shinji bestellte einen Whisky, und der Mann zog sich zurück.
Laut Detektivbericht erschien Seiji Tanikawa jeweils montags und freitags hier, immer wenn er nicht länger arbeiten mußte. Er tauchte vermutlich zwischen sieben und neun Uhr abends hier auf — während der Flaute.
Shinji fiel auf, daß ein fremder, strenger Geruch über dem Foyer hing. Die Zeit kroch dahin. Ab und zu stand ein Kunde vom Tisch auf und verschwand auf den Aufruf des Bademeisters hin ins Allerheiligste. Sie wurden jedoch sogleich durch zum Teil betrunkene Neuankömmlinge ersetzt. Manchmal erschien eine Frau in Sandalen und einem rotweißgestreiften Bademantel über der Arbeitskleidung des Türkischen Bads, die aus einem rotgestreiften Büstenhalter und einem knappen Höschen bestand, um mit fröhlicher Stimme ihren Kunden abzuholen. War Seiji Tanikawa schon wieder nach Hause gegangen, oder war er noch drin?
Gerade als er mit dieser Überlegung beschäftigt war, teilte sich der Vorhang, und Tanikawa trat heraus. Shinji erkannte ihn und seinen dürren Körper anhand der Fotos der Detektei. Seine magere Gestalt wurde durch den schwarzen Rollkragenpullover betont, den er an diesem Abend trug. Ein winzigkleines Mädchen folgte ihm — Yasue Terada offenbar. Tanikawa marschierte geradewegs an Shinji vorbei, so daß dieser einen Blick auf seine eingefallenen Wangen und das hagere Profil werfen konnte.
Yasue verabschiedete ihn am Eingang mit einem vertraulichen Tätscheln seiner knochigen Schultern. Tanikawa zuckte bloß die Achseln und verschwand ohne ein Wort. Für jemand, der zweimal die Woche hierher kam — dachte Shinji entrüstet, dessen eigenes Privatleben so sauber wie ein unbeschriebenes Blatt Papier war. Er sah Tanikawas kleiner werdenden Gestalt nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war. Er war überzeugt, in Takinawas Abgang einen Hauch von Schwäche zu erkennen; die Füße dieses Mannes versanken im Sumpf des Lasters.
Yasue wollte wieder hineingehen, wurde jedoch vom Bademeister aufgehalten; er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin steuerte sie auf Shinji zu, war aber völlig perplex, als sie sein Gesicht sah.
»Sie sind doch Herr...« begann sie und wußte nicht weiter.
»Ja, ich bin's — Yamada, wissen Sie nicht mehr?« log Shinji, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich war vor einiger Zeit schon mal hier.«
»Ach, natürlich. Herr Yamada!« gab sie fröhlich zurück und führte ihn aus dem Foyer. Diese Mädchen, überlegte er, kamen täglich mit so vielen Männern zusammen — vielleicht über hundert im Monat —, daß sie sich unmöglich an das Gesicht oder den Namen eines Kunden erinnern konnten, der nur ein einziges Mal hier gewesen war, und das vor längerer Zeit.
Während er ihr folgte, blickte er auf die sinnliche Wölbung ihres Nackens und sah sich zu erotischen Erwartungen verleitet. »Möchten Sie zuerst ein Dampfbad nehmen?« erkundigte sie sich. Was für eine ungewöhnliche Frage, dachte Shinji im ersten Moment, doch dann überlegte er, daß manche Kunden vielleicht schüchtern waren, während andere möglicherweise nur wegen des Dampfbads hierher kamen. Er beschloß, die Rolle des Schüchternen oder auch Unromantischen zu spielen, und entschied sich für das Bad. Sie brachte ihn in eine Kabine, doch anstatt sich auszuziehen, verschwendete er seine Zeit mit Worten.
»Der Kunde, der eben bei Ihnen war — sein Name ist Seiji Tanikawa, nicht wahr?«
Sie öffnete gerade den Deckel des Dampfkessels, drehte sich jedoch bei diesen Worten abrupt und mit misstrauischer Miene um.
»Kennen Sie ihn?«
»Na ja, sieht ganz so aus. Ist schon ein bißchen peinlich, an so einem Ort quasi in ihn reinzulaufen.«
»Er gehört zu meinen Stammkunden. Arbeitet angeblich bei einer Filmgesellschaft.«
»Kommt er oft her?«
»Zweimal die Woche.«
»Dann muß er ja ziemlich betucht sein.«
»Oh, keine Ahnung. Vielleicht macht er sein Geld an der Börse. Wissen Sie, manche unserer Kunden kommen jeden Tag. Sind vielleicht süchtig nach Dampfbädern.«
»Ich würde sagen, dieser spezielle Kunde ist eher süchtig nach Ihnen.« Sie lachte; die Bemerkung war ihr nicht unangenehm.
»Nicht ganz. Vor mir hatte er hier ein anderes Mädchen, aber sie ist gegangen, und er hat dann zu mir gewechselt. Sie hat gerade aufgehört, als ich gekommen bin, deshalb haben
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