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Schwestern der Nacht

Schwestern der Nacht

Titel: Schwestern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masako Togawa
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zu liegen kam, und stemmte seine Füße gegen den weißen Bezug des Vordersitzes; sehr zum Mißfallen des Fahrers, der ihm scharf befahl, das sein zu lassen.
    Der Wagen fuhr los. Shinji kurbelte das Fenster runter, damit der Wind in Tanikawas Gesicht blies, und schüttelte ihn an der Schulter.
    »Was haben Sie dann gemacht — Sie und die Frau?«
    »Sie schleppte mich in eine Bar und spendierte mir ein paar Drinks. Dann mußte sie weg, sagte aber, sie würde mich gern bald wiedersehen.«
    »Hat Sie alles bezahlt, oder hatten Sie getrennte Kasse?«
    »Nein, das meiste ging auf ihre Rechnung. Und als wir uns getrennt haben, hat sie mir erzählt, daß sie in einem Türkischen Bad arbeitet, und gefragt, ob ich sie da nicht mal besuchen will. Sie versprach mir eine erstklassige Behandlung und gab mir einen Fetzen Papier mit Namen und Anschrift.«
    »Haben Sie den noch?«
    »Ja — ich trag' ihn immer bei mir. Hier, sehen Sie.« Er griff in seine Brieftasche und brachte schließlich ein Stück Papier zum Vorschein. »Da, wenn Sie mir nicht glauben wollen!« Seine Sprache und Bewegungen waren abgehackt und ruckartig.
    Shinji nahm den Fetzen in Empfang und las: >Kommen Sie ganz bestimmt übermorgen um 21 Uhr. Vergessen Sie es nicht — ich werde auf Sie warten. Kyoko< Die Worte waren mit Bleistift geschrieben, aber immer noch lesbar. In die linke untere Ecke hatte sie eine grobe Skizze des Wegs zum >Alibaba< gequetscht.
    21 Uhr am 19. Dezember vergangenen Jahres. Noch ein Zufall? Der Zettel erinnert ihn an die gedruckten Karten, die Call­ Girls unter den Scheibenwischern geparkter Wagen zurücklassen: Name, Adresse und irgendeine kurze Botschaft wie >Einsam heut nacht? Rufen Sie mich an.<
    »Sie sind also hingegangen?«
    »Klar bin ich das. Und es war fantastisch. Sie hätten mal sehen sollen, wie die sich ins Zeug gelegt hat! Ich verdammter Idiot dachte sogar, sie hätte was für mich übrig! Sie wollte noch nicht mal mein Trinkgeld annehmen und meinte nur: >Komm bitte wieder!< Ich bin gleich am nächsten Tag wieder hin, aber da war sie schon weg.« Er knüllte den Papierfetzen zusammen und schleuderte ihn auf den Boden.
    »Was für eine Frau war sie denn?«
    »Oh, sie war entzückend! Und wie sie mich mit ihren großen Augen angesehen hat! Ich wär' fast in Ohnmacht gefallen!«
    »Große Augen. War das alles? Hatte sie sonst nichts Markantes an sich? So daß Sie sie wiedererkennen würden, meine ich?«
    »0 doch, sie hatte einen großen Leberfleck unten an der Nase. Ich fand ihn unheimlich sexy. Könnten Sie sie wirklich für mich finden?« heulte er gefühlsselig auf. Dann sackte er über Shinjis Knien zusammen und begann zu schnarchen.
    Shinja sammelte die Papierkugel auf und steckte sie in die Tasche. Der Wagen bog vom Koshu Kaido auf den Suido Doro ab.
    Wer konnte die Frau gewesen sein? Sie hatte einem Fremden in einer Bar Drinks spendiert und, obwohl sie Masseuse in einem Türkischen Bad war, ein Trinkgeld abgeschlagen. Und dann hatte sie sich in Luft aufgelöst. Warum? Was hatte sie gewollt?
    Das vom Scheinwerferlicht des Wagens beleuchtete Stück Straße vor ihm schien auf ihn zu zu rasen. Er sollte dem Alten besser so bald wie möglich davon berichten. Das Taxi bog am Rand des Inokashira Parks nach links ab, wo ein paar Baumhaine als traurige Überbleibsel von den Wäldern zeugten, die die Gegend einmal bedeckt hatten, und fuhr dann die Schotterstraße entlang, die sich neben dem Mitaka-Bach dahin wand. Sie waren gleich da.
    Er hatte vor, den Betrunkenen abzusetzen und dann zur Wohnung von Sada, dem Kosmetikhändler, weiterzufahren.
    Sie lag ohnehin auf dem Weg.

5
    Das Café Dakko befand sich am Ende einer Ladenpassage. Es war so winzig, daß nicht mehr als zwei Tische darin Platz hatten. Mit fünf Gästen wäre es schon voll gewesen, und an diesem Abend war es übervoll. Männer in Holzschuhen und leichten Baumwollkimonos standen darin, die aussahen, als hätten sie nichts zu tun. Die Handtücher und Seifendosen in ihren Händen verrieten, daß sie frisch aus der öffentlichen Badeanstalt kamen. Ein Mann ragte aus dieser Gruppe heraus, denn er trug einen Sommeranzug und war für einen Japaner recht groß — mindestens einen Meter siebzig. Er fiel Shinji sofort ins Auge, weil er anscheinend Selbstgespräche führte, wobei er aufgeregt und übertrieben mit den langen Armen herumruderte. Er studierte offenbar eine neue Verkaufsmasche ein, und seine sanfte, wohl modulierte Stimme entlarvte ihn als Mann, der von

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