Schwestern der Nacht
Frauenkleidern arbeitet. Es kommen nur wenig Gelegenheitsgäste dorthin, der Großteil der Kundschaft frönt der Sodomie. Viele Stammkunden machen sich nicht einmal die Mühe, dort zu erscheinen, vor allem, wenn sie einen gewissen gesellschaftlichen Status haben. Sie geben ihre Wünsche statt dessen telefonisch durch. Der Besitzer, der sich >Mama< nennt, vermittelt den geeigneten Mann. Der Mindesttarif beträgt 3000 Yen, liegt allerdings gewöhnlich wesentlich höher, je nach Brieftasche und Sonderwünschen des Kunden. Manche der jungen Männer bekommen Häuser von ihren Gönnern geschenkt; wer einen Ausländer aufreißt, macht häufige Abstecher nach Übersee.
5. Kotaro Yamazaki, 26 Jahre, Assistenzarzt an der Y-Universitätsklinik. Gegenwärtige Adresse: c/o Muneda, Tsujicho, Otsuka, Bunkyo-Ku.
(Anmerkung) Wohnt seit dem Studium an obiger Adresse. Geht nach Dienstschluss unregelmäßigen Beschäftigungen nach — manchmal lernt er für sein Examen, manchmal sieht er sich ausländische Filme oder ein Baseballspiel an oder geht in eine Kneipe. Sein einziger regelmäßiger Aufenthaltsort ist ein Café namens >Bluebird<. Man kann ihn dort fast jeden Mittag finden, weil es gleich neben der Klinik liegt.
>Dieser Mann<, dachte Shinji, >wird auf jeden Fall eine Menge über Blutgruppen und Blutspenden wissen.<
So faßte er den Entschluß, dem Assistenzarzt zuerst auf den Pelz zu rücken. Diesen Herrn würde er wenigstens mit ziemlicher Sicherheit zur Essenszeit in seinem Lieblingscafé erwischen. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, daß es bereits halb elf war.
Shinji machte sich auf den Weg zu der Klinik in Ochanomizu, hatte aber unterwegs einen Einfall. Er stieg aus dem Zug und rief einen befreundeten Reporter an, dessen Büro in der Nähe lag. Mit der Visitenkarte eines Journalisten käme er bestimmt sehr viel weiter, also bat er seinen Freund, ihm einige davon zu überlassen. »Na klar«, sagte dieser und machte sich auf zu dem Zeitungskiosk, an dem Shinji wartete. Shinji lehnte seine Einladung zum Mittagessen ab und setzte seine Reise fort.
In der Klinik angekommen, nahm er sogleich per Haustelefon Kontakt zu Kotaro Yamazaki auf. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang unfreundlich und wenig vielversprechend.
»Ich schreibe einen Artikel über die Selbstlosigkeit von Blutspendern«, log Shinji, »und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit opfern könnten.«
»Da sind Sie an den Verkehrten geraten.« Die Stimme war kalt und unnahbar.
»In der Blutbank B sagte man mir aber, Sie wären ein Spender von rh-negativem Blut. . . «
»Ist ja eigenartig. Ich habe schon seit Jahren kein Blut mehr gespendet.«
»Hätten Sie nicht trotzdem etwas Zeit für mich? Es wird bestimmt nicht lang dauern.« Shinji legte seine ganze Überzeugungskraft in seine Bitte.
»Also wirklich, Sie sind ja ganz schön aufdringlich«, entgegnete die Stimme verärgert, doch schließlich war ihr Besitzer unter größtem Widerwillen einverstanden, Shinji im >Bluebird< zu treffen. Zwanzig Minuten später tauchte er dort auf; er entpuppte sich als großer, gutaussehender Mann. Er erkannte Shinji daran, daß dieser ganz allein an einem Tisch saß, und ließ sich ihm gegenüber nieder.
»Ich bin Yamazaki. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, weil mir zu Ohren gekommen ist, daß Sie einmal Blut von einer seltenen Blutgruppe gespendet haben. Als erstes würde mich interessieren, ob Ihr Engagement in irgendeiner Weise mit ihrer Tätigkeit als Arzt zusammenhängt.«
Yamazaki musterte die Visitenkarte, die Shinji ihm in die Hand gedrückt hatte, und bog eine Ecke um, bevor er sie auf den Tisch zurücklegte.
»Wie ich Ihnen bereits am Telefon sagte, habe ich seit Jahren kein Blut mehr gespendet.«
»Und früher? Taten Sie es oft?«
»Nein. Insgesamt nur zwei- oder dreimal.«
»Und in letzter Zeit gar nicht?«
»Seit mindestens einem Jahr nicht mehr und selbst da nicht aus eigenem Antrieb. Ich erhielt aufgrund meiner seltenen Blutgruppe eine Sonderaufforderung von einer Blutbank. Anscheinend waren die Vorräte ausgegangen, und es lag irgendein Notfall vor — ein neugeborenes Baby, glaube ich.«
»Kam so etwas sonst noch mal vor?«
»Nie.«
»Was ist mit der Zeit zwischen Oktober letzten und Januar diesen Jahres?«
Nach dieser Frage sah Yamazaki Shinji scharf an, doch dieser behielt seinen verbindlichen Gesichtsausdruck, und der Arzt entspannte sich wieder. Beleidigt
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