Schwestern Des Blutes
meine. Seine Haut war rauh, sein Gesicht vernarbt. Ich fragte mich, was für Kämpfe er in jüngeren Jahren ausgefochten haben mochte.
»Schätzchen, es ist kein Wunder, dass die Männer eine Scheißangst vor dir haben. Sie wollen dich, keine Frage, aber dieses Glitzern in deinen Augen sagt, dass du den nächsten Mann umbringen wirst, der dich auch nur schief ansieht.«
Ich kippte meinen Drink herunter, schob das Glas von mir und spielte mit dem Gedanken, noch einen zu trinken. So gern ich mich Jahn anvertraut hätte – ich durfte nicht. Agenten des YND verpflichteten sich durch einen Schwur zur Geheimhaltung gegenüber jedem Außenstehenden. Obwohl Jahn schon vor meiner Geburt ein Freund meiner Eltern gewesen war, konnte ich ihm nichts verraten. Also log ich.
»Ärger zu Hause. Mein Vater regt sich mal wieder über den Garten auf. Meine Mutter hat diesen Garten geliebt. Aber ich habe keine Zeit, ihn so in Schuss zu halten, wie sie es getan hat, und ihren grünen Daumen habe ich auch nicht. Ich kann Kräuter ziehen – zumindest einige, für meine Magie. Aber eigentlich rede ich lieber mit ihnen, als ihr Beet zu pflegen.«
»Grüner Daumen?« Er sah mich verständnislos an.
»Mutter konnte Pflanzen wachsen lassen … wie eine Kräuterkundige. Jedenfalls ist mein Vater deswegen sauer auf mich. Und ich mache mir Sorgen um Menolly.« Stirnrunzelnd verstummte ich. Und nun zu einem anderen Thema, Freunde – meine Schwester, die der YND ständig in den gefährlichsten Fällen einsetzt. Das verdankt sie ihrer angeborenen Fähigkeit, sich überall hineinzuschleichen, an Mauern hochzuklettern und so weiter.
»Was hat sie jetzt wieder angestellt?« Jahn wusste von Menollys Begabung, in Schwierigkeiten zu geraten.
»Es geht nicht darum, was sie getan hat, sondern … Ach, das ist vertraulich. Sagen wir einfach, dass ich mir Sorgen wegen eines neuen Auftrags mache, den sie erhalten hat. Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei dieser Mission, Jahn, aber da ist nichts zu machen. Wir können keine Aufträge ablehnen.«
Ich rutschte unbehaglich auf dem Barhocker hin und her. Schon seit Wochen hatte ich mir keinen Sex mehr gegönnt, außer mit meiner eigenen Hand. Ich hatte nicht mal eine anständige Verabredung gehabt. Der letzte Kerl hatte einen Rückzieher gemacht, als er erfahren hatte, dass ich halb menschlich war. Intoleranter Idiot.
Jahn bemerkte meine Unruhe. Er beugte sich vor und flüsterte: »Ich dachte mir schon, dass du deshalb so nervös bist. Komm mit zu mir nach Hause, Süße. Ich würde es auf der Stelle mit dir treiben, wenn du mich lässt.«
Das tat weh. Nicht die Tatsache, dass Jahn mich überhaupt so sah. Eigentlich war ich sogar geschmeichelt, denn er war ein weltgewandter Mann, der in seinen wechselhaften Jahren als Fischer auf dem Wyvernmeer viel herumgekommen war.
Nein, es tat weh, dass ich hier herumsaß, jung, ungebunden, hübsch – zumindest hörte ich das öfter –, einigermaßen intelligent, fleißig und willig … und sich seit über drei Monaten niemand mehr für mich interessiert hatte. Na ja, zumindest niemand, den ich attraktiv gefunden hätte. Die Rasse spielte da keine Rolle. Vor ein paar Jahren war ich mal mit einem Zwerg zusammen gewesen, auch schon mit einem Riesen und sogar mit einem Elf. Aber in letzter Zeit kam ich mir vor wie als Unberührbare abgestempelt.
Ich starrte den Barkeeper an und dachte über sein Angebot nach. Roche war nicht da, also konnte ich die Jagd für heute gleich aufgeben. Eine Affäre mit Jahn war vielleicht genau das, was ich brauchte. Er sah auf rauhe Weise gut aus und wusste zweifellos seine Hände zu gebrauchen – und alles andere auch. Aber er war schon seit Jahren scharf auf mich, und irgendwie fand ich es ein bisschen unheimlich, mit einem Freund meines Vaters zu schlafen. Abgesehen davon, dass Vater kochen würde vor Wut. Man treibt es einfach nicht mit der Tochter eines alten Freundes.
Jahn beugte sich neben meinem Drink über die polierte Mahagoni-Theke. »Du wirst mehr als nur befriedigt nach Hause gehen.«
Langsam streckte ich die Hand aus und strich mit den Fingern leicht über seinen Handrücken. »Ich fühle mich sehr geschmeichelt. Ich weiß, wie viele schöne Frauen du hier tagtäglich siehst. Aber ich …«
»Warte. Lass es dir noch mal durch den Kopf gehen«, sagte Jahn und zog langsam seine Hand zurück. »Ich besorge es dir, wie es dir noch nie jemand besorgt hat.«
Er wandte sich einem anderen Gast zu, und ich blieb
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