Schwestern Des Blutes
liebe Geheimnisse!
3
A ls er da neben mir stand, fühlte ich Dinge, die ich schon seit Jahrhunderten vergessen glaubte. Es war, als enthielten meine Körperzellen Erinnerungen, die jetzt abgerufen wurden, und zwar auf einem Level, das tiefer ging, als mein Bewusstsein greifen konnte. Erinnerungen, die bis an den Beginn zurückreichten. An etwas, das ich nicht so recht benennen konnte.
Wir waren umgeben von einem Haufen von vor Verzückung weggetretener Individuen. (Die Schwingungen, die ich aussende, sind allein schon mächtig genug, aber stellt euch nur vor, was das für ein Gefühl sein muss, in einer Flutwelle gefangen zu sein, die durch das Zusammentreffen zweier außergewöhnlicher Kraftfelder ausgelöst wurde.) Also nahm Niven mich wortlos bei der Hand und zog mich durch die Hintertür des Clubs nach draußen.
Und ich ließ mich fröhlich auf das Spielchen ein. Ich liebe es, wenn so etwas passiert; da kann ich gar nicht anders.
Es war eine wunderschöne Frühlingsnacht, und die Luft duftete schwer nach dieser wundervollen Mischung aus Flieder und den Blüten des Ölweidenbaums. Der Vollmond hatte dieses mystische Aussehen, in Nebel gehüllt und umgeben von feinen schimmernden Farbringen. Die Art von Mond, die magische und bedeutsame Ereignisse vorhersagt.
Niven, dieser Leckerbissen, ging mit mir über einen Parkplatz neben dem Flüsschen, das mitten durch die Stadt verläuft, und führte mich weiter zu einer grasbewachsenen Oase voller Bänke, kiffender Herumtreiber und eifrig beschäftigter Liebespärchen.
Normalerweise ist es ja nicht mein Stil, einem meiner »Begleiter« die Führung zu überlassen, aber irgendwie fand ich es unterhaltsam, dass Niven mein Einverständnis einfach so voraussetzte. Tatsächlich fühlte ich mich allein durch die Berührung seiner Hand, die die meine hielt, ein wenig wie ein Teenager auf dem Abschlussball. (Okay, also eigentlich habe ich keine Ahnung, was das wirklich für ein Gefühl ist. Spielt einfach mal mit, ja?) Und da es ein gutes Gefühl war, beschloss ich, die Dinge erst mal weiterlaufen zu lassen.
Er steuerte auf eine Stelle zu, die relativ menschenleer war, und drückte mich dort ganz verwegen mit dem Rücken gegen einen riesigen Baumstamm, während er begann, mit den Händen meine Arme entlangzufahren. Ich muss sagen, dass ich meine einstweilige Rolle als Wolf im Schafspelz richtig genoss. Dieses köstliche Häppchen Mann würde noch früh genug herausfinden, was für eine Art Raubtier er da aus dem Käfig lassen wollte.
Ich trug eins meiner liebsten Schuhpaare – die mit den Stilettoabsätzen –, so dass ich beinahe auf gleicher Höhe mit Niven war, als er sich leicht herunterbeugte, um mir tief in die Augen zu sehen.
Apropos, ich wette, ihr fragt euch, wie ich in Stilettos durch Gras laufen kann, ohne bei jedem Schritt Löcher in die Landschaft zu treten? Ihr wisst schon, so eine Spur aus Abdrücken wie mit einem Billardqueue. Mal ganz zu schweigen von der körperlichen Anstrengung, mein Gewicht auf den Zehenspitzen zu balancieren? Tja, darauf gibt es eine einfache Antwort. Vampire laufen nicht. Wir gleiten. Wir tanzen. Wir fließen. Okay, zurück zu Niven.
Hmm. Das war schon das zweite Mal, dass er mir in die Augen sah, ohne dabei in die übliche benebelte Trance zu fallen. Ich hatte mich von seinem Charme derart einfangen lassen, dass mir beim ersten Mal gar nicht aufgefallen war, dass er nicht so darauf reagierte wie alle anderen. Was war denn da los?
Also fragte ich ihn.
»Wie kommt es, dass du mir in die Augen sehen kannst? Nachdem du offensichtlich weißt, was ich bin, nehme ich an, du weißt auch über die Sache mit den Augen Bescheid.«
»Ich weiß genau, was du bist, und ich weiß auch Bescheid über die Sache mit den Augen, aber ich habe keinen Schimmer, warum ich immun dagegen bin. Vielleicht ist das nur eine weitere Eigenart von mir, so wie meine Fähigkeit, Menschen mit meiner Stimme in den Bann zu ziehen. Was übrigens nicht viel Wirkung auf dich zu haben scheint. Um es mit dem Märchen vom hässlichen Entlein zu sagen: Ich war immer ein Schwan unter Enten. Ein Außenseiter.«
Ich hatte nicht vor, es ihm zu sagen, aber seine Stimme schien tatsächlich eine merkwürdig besänftigende Wirkung auf mich zu haben. Wenn er sprach, war sie genau so verführerisch, wie wenn er sang – Samt in meinen Ohren, und zugleich auf seltsame Art verwirrend.
»Sieh mal einer an: Traumhaft schön und dazu noch intelligent. Hast du denn keine Angst
Weitere Kostenlose Bücher