Schwestern Des Blutes
unsterblichen Gesicht in der unruhigen Menge. Schließlich stand ich mitten im Raum, hüllte mich in einen Unsichtbarkeitszauber und warf meinen übernatürlichen Haken aus, um irgendeinen untoten Fisch, der in diesem Teich schwimmen mochte, an Land zu ziehen. Aber Fehlanzeige.
Schließlich gab ich es auf, ging meine eingefrorenen Hauptgerichte auf zwei Beinen einsammeln und schob sie nach draußen in die Nacht.
***
Zugegeben, ich war nicht ganz bei der Sache, aber davon ließ ich mir mein Abendessen zum Mitnehmen nicht miesmachen. Ich schickte uns drei mittels Gedankenkraft zurück zu meinem Schlupfwinkel in Boulder, und wir legten die Nacht über einen heißen Tango aufs Parkett – sozusagen. Nachdem ich das Buffet anständig geplündert hatte, scannte ich die Gedächtnisse der beiden Kerle, um in Erfahrung zu bringen, wo sie wohnten, und dachte sie sicher nach Hause in ihre kuscheligen Betten. Am nächsten Morgen würde jeder von ihnen mit einer angenehmen, wenn auch getrübten Erinnerung aufwachen. Hach, ich werde ja so weichherzig – erzählt bloß niemandem davon!
Da immer noch etwas Zeit bis Sonnenaufgang war, gönnte ich mir noch ein Nacktbad im Mondlicht auf dem Oberdeck und grübelte über die Erscheinung nach, die ich im Tanzklub gesehen hatte.
Jeran und ich waren nicht gerade auf freundlichster Basis auseinandergegangen, und als ich über die Nachtwandler-Buschtrommeln hörte, dass er den Tod gewählt hatte, bin ich echt wütend gewesen.
Okay. Ich weiß ja, dass ich diejenige war, die ihn verlassen hat. Ich habe unsere »Beziehung« – in Ermangelung eines besseren Wortes – beendet. Aber ich dachte immer, wir hätten eine Chance, wenigstens zum Teil die tiefen Wunden wieder zu heilen, die wir unseren Seelen – und unseren Herzen – gegenseitig zugefügt hatten.
Würde es euch überraschen zu hören, dass die meisten Vampire all das Wissen, das sie über die Jahrhunderte anhäufen, vor allem zu dem Zweck nutzen, sich immer geschicktere Methoden auszudenken, mit denen sie sich gegenseitig quälen können?
Nun ja, mal ehrlich: Was würdet ihr tun, um bis in alle Ewigkeit Unterhaltung zu finden?
Es war schon so lange her, seit ich ein Mensch gewesen war und irgendwelche menschlichen Gefühlsregungen verspürt hatte, dass mich die Flut der Erinnerungen, wie ich Jeran geliebt hatte, völlig unvorbereitet traf. Ich erinnerte mich an die Lust und die Besessenheit, die schon an Wahnsinn grenzte und mich anfällig gemacht hatte. Für sein Verlangen, mich zu verwandeln. Sein unbarmherziges Bedürfnis, mich zu seiner Gefährtin in seiner Welt der Dunkelheit zu machen.
Obwohl ich ihn angefleht hatte, es nicht zu tun.
Gefühle, die ich seit Jahrhunderten nicht mehr gekannt hatte, überschwemmten mich, und ich spürte eine Träne meine Wange hinablaufen. Diese Empfindung, die ungewohnte Flüssigkeit, die mein Gesicht hinabrann, war mir fremd, und sie faszinierte und verblüffte mich. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte. Das war, buchstäblich, Jahrhunderte her. Offen gesagt, machte ich mir auch nicht viel daraus. Da musste ich wohl einen alten Sargdeckel wieder aufklappen, den ich schon vor langer Zeit für immer geschlossen hatte. Ich ließ die Träne auf meinen Zeigefinger laufen und kostete sie.
Verdammt sei Jeran.
4
I ch schlafe nicht in einem Sarg. Ja, natürlich habe ich ein paar von den Dingern. Ich sammle sie sogar. Sie sprechen die dunkle Seite an, die in jedem von uns steckt. Tatsächlich besitze ich sogar ein extravagantes Exemplar, das eine Zeitlang die Überreste eines sehr berühmten Entertainers aus dem 20. Jahrhundert beherbergte, bevor er zwangsgeräumt wurde und ich ihn meiner Sammlung einverleiben konnte. Fragt erst gar nicht, um wen es sich handelt, denn ich werde es euch nicht sagen, aber ich bezweifle, dass er »einsam heut’ Nacht« ist. Wie auch immer, solange ich mich von Sonnenlicht fernhalte, kann ich auf einen zusätzlichen Sicherheitsbehälter verzichten.
Stattdessen verbringe ich meine Ich-bin-dann-mal-tot-Stunden ausgestreckt auf einem luxuriösen Vampir-Doppelbett. Ja, so was gibt es wirklich. Die Firma, die die Teile herstellt, ist einer meiner ersten Gehversuche als Unternehmerin. Und seit es das Internet gibt, hat der Online-Verkauf meiner verschiedenen Modellreihen mich – oder besser gesagt meine »Ururenkelin« – zur mehrfachen Milliardärin gemacht.
Am Abend nach dieser deprimierenden und ärgerlichen
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