Schwestern Des Blutes
ich nämlich schon längst entdeckt, bevor daraus diese trendige und materialistische New-Age-Yuppie-Enklave wurde, die wir alle kennen und lieben. Jetzt ist es dort so überlaufen, dass man kaum einen Kerl aussaugen kann, ohne dass der beim Umfallen gegen irgend so einen stinkreichen Computernerd oder Treuhandgeldgeber kippt. Ich habe ja immer gesagt, dass da nur ein zweites Aspen draus wird, aber hat irgendwer auf mich gehört?
Ich habe eine Schwäche für atmosphärisches Ambiente. Soll heißen, wenn es irgendwo in einer Stadt das typische Spukhaus oder Vampirschloss gibt, dann schaffe ich es ganz sicher, alles so hinzudrehen, dass ich am Ende als stolze Eigentümerin dastehe. Gedankenkontrolle kann sich bei Verhandlungen ja so zeitsparend auswirken, findet ihr nicht auch?
Boulder hat eine Menge ganz entzückender viktorianischer Gebäude, aber so richtige Gruselhäuser sind selten und heiß begehrt. Nach einer peinlich genauen Untersuchung des Areals – die eigentlich darin bestand, dass ich die Gedanken unzähliger erschreckend langweiliger Immobilienmakler mit Schmerbauch scannte – konnte ich schließlich mein eigenes kleines »Rocky Mountain«-Paradies ausgraben.
Und »ausgraben« trifft es recht gut. Es ist oben auf einem Gebirgsausläufer gelegen, gerade noch so innerhalb der Stadtgrenze, und noch dazu eines der ältesten Anwesen in Boulder County. Es stand zu dieser Zeit schon seit einem Jahrhundert leer, und jede Menge Legenden über Geister, Ritualmorde, Gestaltwandler, unheimliches Krabbelgetier und andere Alptraumgeschöpfe rankten sich darum. Bäume, exotische Pflanzen und wilde Gräser wucherten so dicht – die Erde hatte diesen Ort buchstäblich zurückerobert –, dass das weitläufige Gebiet nur mit einem Geländefahrzeug zu erreichen war – sofern man nicht in der Lage war, mittels Gedankenkraft zu reisen.
Ich kann mittels Gedankenkraft reisen, das habe ich doch erwähnt, oder nicht? Na ja, falls nicht, dann kommt es im Lauf der Geschichte sicher mal zur Sprache.
Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass mein Anwesen in Boulder der letzte Schrei zu Halloween ist. Schon komisch, dass es gar keine Legenden über das Haus im Zusammenhang mit Vampiren gibt. Aber ich spiele immer wieder gerne Pionier.
Also, zurück zu jenem schicksalhaften Tag, an dem unsere Geschichte anfängt: Als die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergen versanken, setzte ich mich auf und wusste sofort, dass irgendetwas anders war.
Es war wie eine Leuchtmarkierung im Raum-Zeit-Kontinuum. Als wäre etwas in den energetischen Pool geplumpst, in dem ich mich für gewöhnlich aale, und würde dort Wellen schlagen. Oder als würde irgendjemandes Seelensignatur an mir zerren: als wäre ein besonderer Radiosender, dessen Signal nur ich empfangen konnte, auf Sendung gegangen.
Und wenn wir schon dabei sind, will ich doch gleich noch eins klarstellen: Vampire haben eine Seele. Das Sterben betrifft nur den Körper. Jeder seriöse Metaphysiker wird euch sagen, dass die Essenz dessen, was wir Erdenbewohner darstellen, eine Art ätherischer Energie ist, etwas, das noch fundamentaler ist und tiefer geht als bloßes Sein oder Nichtsein. Diese Energie besteht trotz allem weiter. Offenbar ist es so, dass jede Seele – ja, das schließt auch Vampire mit ein – ihre eigene Melodie hat, und der Legende nach gibt es zu jeder Seele theoretisch ein passendes Gegenstück, dessen Melodie ähnlich ist. Aber da wir derzeit mit diesem ganzen Zeug über Seelengefährten schon förmlich erschlagen werden, will ich euch hier nicht auch noch damit langweilen. Außerdem ist diese Thematik bei weitem komplexer und interessanter als das, was man für gewöhnlich darüber erfährt.
Aber zurück zu dem, was ich sagen wollte. Als ich mich erhob, spürte ich … etwas.
Es mag euch überraschen zu hören, dass ich eine fast schon obsessive Gerade-von-den-Toten-auferstanden-Schönheitsroutine betreibe. Ich kann meine Erscheinung verändern, indem ich mich einfach erfrischt, sauber und auf jede nur denkbare Art gekleidet denke. Aber trotz dieser Fähigkeit hätte ich schon immer für eine schöne, heiße Dusche sterben können – das sollte jetzt kein Wortspiel sein.
Ich erzähle euch das deshalb, weil es ja bezüglich der Hygiene von Vampiren so viele unangenehme Gerüchte da draußen gibt. Ich meine, mal ehrlich, Leute: Mundgeruch? Verfärbte Eckzähne? Verwesungsartiger Körpergeruch? Also bitte. Das klingt ja wie aus einem zweitklassigen
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