Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
wenn die Sonne scheint und der Frühling kommt und der Tod nicht mehr in der Luft liegt. Zunächst einmal – wo ist das Siegel? Wir müssen es aus dieser Welt wegbringen und es vor den Dämonen verstecken, ehe sie es an sich bringen können.«
»Als der alte Schamane starb und sein Stab auf mich überging, gab er mir auch das Siegel.« Venus rückte vom Tisch ab. Er streckte sein Bein aus, das, auf dem er hinkte. »Er erklärte mir, wie ich es verstecken musste. Über all die Jahrhunderte hinweg wurde es auf diese Weise weitergegeben, und der Stamm wusste nichts von seiner Existenz. Der Schamane war immer der Einzige, der von dem Siegel wusste, und aus ihm beziehen wir den Großteil unserer Macht. Dies war die einzige Möglichkeit, uns seinen Schutz zu sichern. Wenn ich es euch gebe, werden wir offen und verletzlich sein. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir lernen, uns selbst zu schützen.«
Ehe wir etwas sagen konnten, zog er das Hosenbein hoch und strich mit der Hand über seinen Unterschenkel. Ein Schnitt tat sich auf, fleischig und blutig, aber sauber. In der Wunde ruhte ein kleiner, rotgolden funkelnder Cabochon in einer Bronzefassung. Er gab mir einen Wink, und ich griff vorsichtig in die offene Wunde und zog den Feueropal heraus. Venus Mondkind strich mit der Hand über den Schnitt, und die Wunde schloss sich wieder und hinterließ eine wulstige Narbe.
Ich starrte den leuchtenden Edelstein an. Seine pulsierende Energie durchfuhr mich wie eine klärende Welle, die meinen Schmerz und Zorn fortspülte. Ich seufzte tief, blickte auf und sah, dass es den anderen genauso ging. Venus schloss die Augen und wandte den Kopf ab. All die Jahre lang hatte er den Edelstein besessen, ihn aber nie direkt benutzt. Er hatte ihn in sich bewahrt und geschützt, wie sein Meister vor ihm und dessen Vorgänger bis weit zurück durch die Schleier der Zeit.
»Das Degath-Kommando konnte vermutlich spüren, dass du in der Nähe des Steins gewesen warst, aber sie sind nicht auf die Idee gekommen, dass er in dir stecken könnte«, sagte ich.
»Ein Glück, dass sie mich mit dieser Peitsche nicht tief genug geschlagen haben, um mein Bein aufzureißen«, sagte er, und Tränen glitzerten in seinen Augen.
»Das ist also das Siegel?« Zachary schob sich in die Küche, immer noch recht zittrig. »Ich habe mich immer gefragt, woher du dieses Humpeln hast«, sagte er zu Venus. »Ich nehme an, alle unsere Schamanen hatten ein Hinkebein?«
Venus nickte. »Man hielt das immer für eine unserer Besonderheiten – vielleicht für die Folge irgendeines Handels, durch den wir unsere Macht erhielten. In gewisser Weise war es ja auch so.«
Da musste ich lachen, und plötzlich hatte ich das Gefühl, als wäre eine schwere Last von mir genommen worden. »Wir setzen uns besser vor den Flüsterspiegel und warnen Trenyth vor, dass wir uns auf den Weg machen.«
Camille und ich gingen nach oben. Der Spiegel funktionierte wunderbar, aber wir sahen uns nicht Trenyth, sondern Königin Asteria selbst gegenüber.
»Ich schicke jemanden zu euch, um die Dämonen und das Siegel abzuholen«, sagte sie. »Einen Augenblick, ich gebe sofort den Befehl dazu.« Sie wandte sich ab und sprach über ihre Schulter, und wir hörten Trenyth ihren Befehl bestätigen. »Ihr solltet vorerst nicht nach Elqaneve kommen«, fuhr sie fort. »Hier wärt ihr in großer Gefahr.«
»Wir wissen von Lethesanars Todesdrohung –«, begann ich.
Die Königin unterbrach mich. »Das ist es nicht. Obgleich das allein Grund genug wäre, sehr vorsichtig zu sein. Nein, es ist noch etwas geschehen.«
Camille und ich wechselten einen Blick. Ich konnte es ebenfalls spüren; schlimme Nachrichten überholten einander im Wind, und was immer die Königin uns zu sagen hatte, musste sehr schlimm sein. Ich schluckte gegen meinen Instinkt an, aufzuspringen und wegzulaufen. »Was ist passiert?«
Die Königin sah aus, als würde sie alles auf der Welt lieber tun, als dieses Gespräch zu führen. »Es gibt keine schonende Möglichkeit, euch das beizubringen, also sage ich es euch einfach direkt. Wisteria ist entkommen. Wir wissen nicht, wie – irgendjemand muss ihr geholfen haben –, aber sie hat es geschafft, ihre Wächter zu töten und aus der Zelle zu entkommen.«
»Oh, zur Hölle. Wahrscheinlich wird sie versuchen, Kontakt zu Schattenschwinge aufzunehmen.« Ich sah Camille an. »Sieht so aus, als bliebe uns diesmal keine Zeit zum Durchatmen.«
»Es kommt noch schlimmer«, sagte Königin
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