Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
zwei streunende Katzen, die ihr Sohn mit nach Hause geschleppt hatte. Vor allem Menolly. Sie lächelte uns strahlend an, aber ihre Augen blieben kalt. Ob diese Reserviertheit etwas damit zu tun hatte, dass sie ein Vampir war, wusste ich nicht recht. Sie streckte langsam die Hand aus, beinahe so, als wollte sie uns eigentlich lieber nicht anfassen.
Menolly nahm die Hand und schüttelte sie mit einem Druck, der Mrs. Stevens nach Luft schnappen ließ. Ich nickte ihr nur zu.
»Ich freue mich ja so, euch kennenzulernen, Mädchen.« Sie beäugte uns unverhohlen. »Wade hat mir erzählt, dass Sie beide Halbfeen sind.« Das Wort Feen sprach sie dermaßen gedehnt und nasal aus, dass es sich anhörte wie eine grauenhafte Krankheit. »Sie haben noch eine weitere Schwester, nicht wahr? Das ist doch die mit den engen Korsetts, bei denen man sich immer wundert, dass ihr nicht alles oben herausfällt, nicht wahr?«
Menolly hüstelte, als wollte sie etwas dazu sagen, doch ich stieß ihr den Ellbogen in die Rippen, und sie wandte den Kopf ab.
Belinda Stevens gehörte zu jenen Frauen, die am meisten gefürchtet werden, erdseits wie in der Anderwelt, ganz gleich, ob man eine Fee war, ein Vampir, Werwesen oder ein Mensch: die Mutter des Freundes.
»Camille ist einmalig«, sagte ich, damit Menolly den Mund hielt. »Sie ist so energisch und lebhaft, und ohne sie wären wir verloren.«
Wade trat näher an seine Mutter heran und berührte sie am Ellbogen. »Zieh die Reißzähne ein, Mutter. Das sind meine Freundinnen.«
»Und Menolly hier ist mehr als nur irgendeine Freundin, behauptest du jedenfalls.« Mrs. Stevens zog die Augenbrauen hoch – eine gelungene Imitation von Mr. Spock – und legte ihre Handtasche auf dem nächsten Stuhl ab. »Dann erzählt mal, Mädchen, wie lange seid ihr schon auf der Erde?«
»Wir ziehen die Bezeichnung erdseits oder Erdwelt dem Ausdruck auf der Erde vor. Schließlich sind wir keine Außerirdischen von einem fremden Planeten«, erklärte Menolly kühl. »Die Anderwelt und die Erdwelt waren in der Vergangenheit eng miteinander verbunden. Vor langer Zeit.«
»Ich verstehe«, sagte Mrs. Stevens. Ganz offensichtlich tat sie das nicht. »Und wie lange sind Sie nun schon erdseits ?«
»Etwa sieben... acht Monate.« Menollys Augen bekamen einen Glanz, der mir gar nicht gefiel. Ich hatte diesen Blick schon früher bei ihr gesehen, wenn sie etwas anstarrte, das sie als Schandfleck im Universum betrachtete. Trillian zum Beispiel, oder Weinschorle oder Kakerlaken.
»Und seit wann sind Sie ein Vampir, meine Liebe?« Honig wäre flüssiger gewesen als die klebrige Süße, die von der Zunge dieser Frau troff.
Menolly seufzte laut. Offensichtlich hatte Wade seine Mutter nicht vorgewarnt, welche Themen sie lieber nicht ansprechen sollte, denn sonst wäre sie nicht so aufdringlich gewesen. »Seit zwölf Erdenjahren, Mrs. Stevens. Und Sie? Wie lange ist es her, dass Sie getötet und wieder auferweckt wurden?«
Mrs. Stevens blinzelte, als wäre sie überrascht, dass man ihr eine so intime Frage zu stellen wagte. »Zwei Jahre. Im Grunde bin ich ja dankbar dafür. So kann ich für immer auf meinen kleinen Jungen aufpassen«, sagte sie und tätschelte Wades Arm.
Er verzog das Gesicht, und ich hörte, wie Menolly scharf den Atem einsog – das war purer Reflex, denn sie musste ja nicht mehr atmen. Ich packte ihre Schulter und grub die Finger hinein. Sie erstarrte und entspannte sich dann sichtlich.
»Na, ist das nicht lieb ?«, sagte sie, als Wade ihr einen hoffnungslosen Blick zuwarf. Nichts, was er tat, würde seine Mutter jemals von ihrer Berufung abhalten, persönlichste Informationen zu sammeln und zu horten.
Mrs. Stevens überlegte einen Moment lang und sagte dann: »Zwölf Jahre? Sie müssen noch ein junges Mädchen gewesen sein, als es passiert ist. So wenig Lebenserfahrung; welch ein Jammer.«
Da wurde es Menolly zu viel. »Ich bin vermutlich fast so alt, wie Sie waren, als Sie gestorben sind, nur dass ich verdammt viel besser aussehe. Ich bin die Jüngste meiner Schwestern, und zurzeit bin ich – inklusive meiner zwölf Jahre als Vampir – etwa fünfundfünfzig Jahre alt, nach Ihrem Kalender gerechnet. Möchten Sie sonst noch etwas wissen? Mit wie vielen Männern ich schon geschlafen habe oder vielleicht meine Körbchengröße?«
O-oh. Ich wollte nicht zwischen die Fronten geraten und verdrückte mich zu Sassy Branson. Sie mochte mich. Sie würde mich beschützen, falls irgendetwas passierte.
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