Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
Selbstbeherrschung dann doch nicht. Und ich mochte gar nicht daran denken, was er bei Camille anrichten könnte. Sofort war ich fest entschlossen, diese Möglichkeit im Keim zu ersticken, ehe sie eine Chance hatte, Blüten zu treiben.
»Abgesehen von der Tatsache, dass du ein Dämon... «
»Das bist du auch.« Er war auf Zack, das musste ich ihm lassen.
Ich hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Abgesehen von der Tatsache, dass du ein Dämon bist? Also, du hast bereits eine Prügelei in meiner Bar angefangen, obwohl du noch keine vierundzwanzig Stunden hier bist. Richtig?«
Er schüttelte den Kopf. »Stimmt. Woher weißt du das?«
»Du riechst noch nach der Anderwelt.« Und das tat er. Ich konnte den Duft von Sternbeeren-Blüten und Ushabäumen an ihm riechen. Er musste durch ein Portal irgendwo im Süden gekommen sein. »Na toll. Also, ist Roz dein richtiger Name?« Ich bedeutete ihm, mir an die Bar zu folgen.
Er gehorchte, doch ich ertappte ihn dabei, wie seine Mundwinkel sich zu einem selbstzufriedenen Lächeln verzogen. Incubi waren nicht immer böse; wenn Königin Asteria also fand, dass er seine guten Seiten hatte, dann stimmte das vermutlich. Aber sie schafften es immer, Chaos zu verbreiten, wo sie gingen und standen. Mit ihrem Charme kriegten sie so ziemlich jeden rum, Hetero oder Homo. Dazu gehörten auch zahllose Ehemänner, die einem Incubus alles durchgehen ließen, sogar dass er es mit ihrer Frau trieb. Incubi waren dazu veranlagt, sich und anderen Genuss zu bereiten.
Der Incubus starrte mich einen Augenblick lang an und zuckte dann mit den Schultern. »Mein Name ist Roz – eine Abkürzung für Rozurial.«
»Warum jagst du deinesgleichen?« Ein Dämon, der andere Dämonen jagte, machte mich misstrauisch, obwohl man mir streng genommen wohl dasselbe vorwerfen konnte.
»Ich will mich schützen, und ich mag Geld«, sagte er. »Außerdem bringe ich ja nicht meinesgleichen zur Strecke. Meist bin ich hinter Höheren Dämonen und Vampiren her. Ich bin schon seit siebenhundert Jahren in dem Geschäft und reise zwischen der Anderwelt und der Erde hin und her, weil ich einen ganz bestimmten Vampir suche. Ich hatte ihn in der Anderwelt schon aufgespürt, aber als ich in sein Nest eingedrungen bin, war er weg. Seine Spur führte mich zur Elfenkönigin. Sie hat mich angehört – im Beisein eines Wahrsehers, wie ich hinzufügen möchte – und mich dann zu dir geschickt.« Sein ernster Blick gab mir das Gefühl, gefährlich nah am Rand eines Abgrunds zu stehen.
Ich kannte die Antwort auf meine nächste Frage schon, ehe ich sie stellte. Aber dies war einer dieser Augenblicke, in denen ich, so dumm es auch sein mochte, absolute Gewissheit brauchte. »Von welchem Vampir sprichst du?«
Roz beugte sich über die Bar und sagte mit einer Stimme, so kalt wie meine Haut: »Muss ich dir das wirklich buchstabieren? D-R-E-D-G-E... die Geißel der Welten.«
Ich lehnte mich an die Bar, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich, als würde ich gleich in Ohnmacht fallen. Königin Asteria hatte uns gewarnt, es sei möglich, dass der Elwing-Clan zu uns unterwegs wäre. Nun sah es ganz so aus, als hätte sie recht damit. Warum sonst hätte sie uns diesen Kopfgeldjäger schicken sollen?
»Und du bist ganz sicher, dass er die Grenze überquert hat?«
»Er und ein paar von seinen räudigen Anhängern, angeführt von diesem verrückt gewordenen Stück Natur, das ihr bei der Königin abgeliefert habt.« Auf meinen überraschten Blick hin hob er die Hand. »Ich weiß alles über die allgemeine Situation. Und ich weiß, dass Dredge dich in seiner Gewalt hatte. Ich weiß, was er seinen Opfern antut, Menolly. Aber dich hat er verwandelt. Meine Schwester, meine Mutter und meinen Bruder hat er einfach weggeworfen, nachdem er sich mit ihnen amüsiert hatte. Vor siebenhundert Jahren hat er sie ausgesaugt, buchstäblich in Stücke gerissen und die Überreste an ein Rudel Höllenhunde verfüttert. Ich hatte mich auf dem Dachboden versteckt und habe alles durch die Spalten zwischen den Dielenbrettern mit angesehen. Da war ich sieben Jahre alt. Ich habe alles gesehen.«
Er sagte die Wahrheit. Ich sah es in seinem Gesicht und hörte es in seiner Stimme. Dredge hatte seine Familie ausgelöscht.
»Du warst damals noch kein Incubus, nicht wahr?«
Roz schüttelte den Kopf. »Nein, aber das ist eine Geschichte, die wir uns für ein andermal aufheben.«
»Dann haben wir etwas gemeinsam.« Ich straffte die Schultern und schaute
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