Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
zumindest so lange, bis wir ihn besser einschätzen konnten. Sie tauchten gegen zwei Uhr früh auf – Sperrstunde im Wayfarer – und ließen sich in einer Sitznische nieder.
Ich sah genau, dass Roz sie musterte, aber als ich ihm einen finsteren Blick zuwarf, wandte er sich wieder seinem zweiten Cognac zu. Während Chrysandra und ich die letzten Gläser wegräumten und die Bar und die Tische abwischten, hörte ich plötzlich ein Geräusch an der Tür. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, abzuschließen, sondern nur das Schild von OFFEN auf GESCHLOSSEN umgedreht. Die Tür flog auf, und als ich den Mund öffnete, um zu verkünden, wir hätten schon geschlossen, sah ich Chase und Sharah in der Bar stehen.
»Was ist los?« Ich eilte zu ihnen hinüber. Beide waren etwas grün im Gesicht, und Chase sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. Ich führte ihn zu einem Stuhl, und Delilah eilte zu uns und kniete sich vor ihn hin. Camille sauste hinter die Theke und holte ihm ein Glas Eiswasser.
Während er versuchte, die Fassung wiederzugewinnen, und in winzigen Schlucken das Wasser trank, blickte Sharah mit gequälter Miene zu uns auf. »Die Vampire haben wieder zugeschlagen... «
»Verdammt, das hatte ich befürchtet. Moment mal«, sagte ich, »sprecht ihr von den ursprünglichen oder... «
»Oder den vier Neulingen?« Sharah verzog das Gesicht. »Wir wissen es nicht; beides wäre möglich. Soweit wir wissen, könnten die Neulinge sich ihren Meistern angeschlossen haben. Wie auch immer, wir haben drei weitere Tote im Autopsieraum, und ich fürchte, sie werden sich erheben. Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Kommt darauf an, wann sie getötet wurden. Kommt darauf an, wie sie getötet wurden und wie viel Blut ihres Meisters sie getrunken haben. Kommt«, sagte ich und warf den Putzlappen auf die Bar. »Chrysandra, machst du fertig sauber? Schließ die Tür ab, wenn wir weg sind, und ruf Togo an – er soll herkommen und dich zu deinem Auto begleiten. Wenn er meckert, richte ihm aus, dass ich ihm die Kehle herausreißen werde, wenn er seinen faulen Arsch nicht sofort hierherbewegt. Das ist kein Scherz.« Im Gegensatz zu Tavah war Chrysandra kein Vampir und nur allzu verletzlich. Sie nickte, den Blick starr auf die Theke gerichtet.
Camille, Delilah, Roz und ich folgten Chase und Sharah hinaus auf die Straße. Chase war mit einem SUV vorgefahren.
»Steigt ein, wir dürfen keine Zeit damit verlieren, dass jeder erst zu seinem Auto läuft.« Die Tatsache, dass er nicht einmal fragte, wer Roz sei, sagte mir, dass Chase wirklich außer sich sein musste. Er war sonst die Vorsicht in Person.
Wir quetschten uns auf den Rücksitz, und Sharah stieg vorn mit ein. Auf dem Weg zum AETT-Krankenhaus betete ich, dass sie sich geirrt hatten, dass nur irgendein gewöhnlicher Irrer beschlossen hatte, sich mal als Freddy Krueger zu versuchen. Das Letzte, was wir brauchten, war ein schnell wachsendes Nest blutrünstiger Vampire in der Stadt. So etwas ließ sich nicht lange geheim halten.
Als Chase einen Schalter umlegte und die Sirene zu heulen begann, warf ich Roz einen Blick zu. Er starrte mich an, und sein Gesichtsausdruck war so mörderisch, dass ich nur darum beten konnte, Dredge als Erste zu finden. Denn Roz’ Miene machte sehr deutlich, dass er nicht die Absicht hatte, Gefangene zu machen. Und bei meinem Meister wollte ich den ersten Stoß haben.
Kapitel 6
Ein kalter Wind stöhnte im Hafen und rüttelte an den Fensterscheiben des Wagens, während die Lichter der Stadt verschwommen an uns vorbeiflogen, auf dem Weg zum speziellen Leichenschauhaus des AETT. Die Wolkenkratzer reihten sich wie Diamanten am Horizont auf. Die Interstate 5 war zu dieser Nachtzeit leer, und ich warf einen Blick auf eine der Überführungen, als wir daran vorbeirasten. Wir fuhren ein Rennen gegen die Zeit, und ich wusste nicht, wie viel uns davon noch blieb. Ich hatte nie einen anderen Vampir erweckt, und ich hatte auch nicht vor, das je zu tun. Aber jetzt wünschte ich doch, ich hätte mit den älteren Vampiren aus der Gegend darüber gesprochen, wie das lief. Wissen, sogar finsteres Wissen, war besser als Unwissenheit.
»Chase, wurden die Leichen zusammen aufgefunden, wie bei den anderen vier? Das könnte darauf hindeuten, dass sie von demselben Vampir – oder derselben Gruppe Vampire – getötet wurden wie unsere abgehauenen Neulinge.«
Er seufzte laut. »Ja, aber diesmal war es nicht in der Nähe des
Weitere Kostenlose Bücher