Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
Delmonico Cinema. Dieses Trio haben wir drüben in Green Lake gefunden. Im Green Lake Park, um genau zu sein.«
Delilah schnappte nach Luft, und ich stieß ihr sacht den Ellbogen in die Rippen und schüttelte warnend den Kopf.
Sassy Branson wohnte in der Gegend von Green Lake. War es möglich, dass sie etwas mit der Sache zu tun hatte? Erst vor einem Monat waren wir auf ihrer berühmten Weihnachtsparty gewesen.
Sassy war eine Society-Lady, deren Freundinnen sie noch für quicklebendig hielten. Sie spielte mit großem Elan und vollendeter Eleganz die zurückgezogen lebende Exzentrikerin und hatte sich große Mühe gegeben, ihren Tod geheim zu halten. Sie lebte in ständiger Angst davor, enttarnt zu werden. Mit ihren tadellosen Manieren war sie der letzte Vampir auf der Welt, von dem ich derart wüste Taten erwarten würde. Aber der Raubtierinstinkt überwältigte die meisten Vampire früher oder später. War es möglich, dass wir es doch nicht mit Dredge zu tun hatten? Hatte Sassy sich drastisch verändert? Nein, das wollte ich nicht glauben. Aber sie könnte etwas über die Morde wissen.
Ich hielt den Mund, während wir in das Gebäude eilten und die Treppe hinunter, vorbei an den magischen Sensoren, zur kleinen Leichenhalle rannten. Die AND-Techniker hielten Wache bei den Leichen. Der Gestank nach Formaldehyd und Desinfektionsmitteln hing im Flur, und Camille und Delilah sahen aus, als würden sie sich gleich übergeben. An mir trieb der Gestank einfach vorbei, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Raum vor uns.
Wir hätten uns ebenso gut in einem Bahnhof befinden können, so viele Schließfächer reihten sich vor uns auf. Oder in einem Schulkorridor. Aber hinter den Türen dieser grauen Metallschränke lagen die Überreste der Opfer von Gewalt oder Zeit. Tische mit aufgereihten Instrumenten standen überall herum. Skalpelle. Scheren. Sägen. Grelle Lichter hingen von der Decke, Werkzeuge, die dazu dienten, Illusionen zu zerstören, einzudringen, zu erkunden, aufzudecken. Große Gläser, in denen seltsame Formen schwammen, standen in einem Regal aufgereiht.
Schau hin, schau weg. Am Ende des Tages, dachte ich, ist dies alles, was bleibt. Ich versuchte den Blick loszureißen, doch dieser Zirkus aus Farben und Formen faszinierte mich.
Mitten im Raum standen sechs lange Tische, und auf drei davon lagen Körper unter so reinen Tüchern, dass sie aussahen wie schneebedeckte Zuckerwatte. Leuchtend, unnatürlich weiß. Wo waren die Flecken? Keine Wäscherei der Welt konnte rückstandslos das Blut auswaschen, das tote Körper überzog.
Chase winkte mich zu sich. »Es wäre vielleicht besser, wenn die anderen zurückbleiben – nur für den Fall, dass etwas passiert.«
»Nur für den Fall, dass die Opfer wieder aufstehen, meinst du.«
Er nickte und beugte sich dicht zu mir heran. »Wenn das passiert – meinst du, du wirst mit ihnen fertig? Ich habe noch nie gegen einen Vampir gekämpft und bin nicht sicher, wie man am besten vorgeht. Das gilt auch für die Laboranten hier.« Mit einem Blick zu den anderen hinüber fügte er hinzu: »Ich will nicht, dass Camille oder Delilah etwas geschieht... oder sonst jemandem.«
Da hatte er recht. Die bittere Wahrheit lautete, dass ich nicht sicher war, ob ich alle drei ausschalten konnte, ehe sie es an mir vorbei zu den anderen schafften. Wenn sie sich erhoben – falls sie es taten –, würden sie rasend hungrig sein und nur nach der nächsten Halsschlagader suchen, um ihren Durst zu stillen. Sie würden ihr Opfer aussaugen, dann das nächste und das nächste. Nachdem ich mich erhoben hatte, hatte ich auf dem Heimweg ein Gemetzel angerichtet, ich hatte eine blutige Spur hinterlassen, die ich heute noch sehen konnte, wenn ich die Augen schloss und mich der Erinnerung überließ. Bis ich zu Hause angekommen war, hatte ich es geschafft, meinen Durst so weit zu stillen, dass ich mich in meinem Zimmer einschließen und nach Camille schreien konnte, damit sie Hilfe holte. Und danach war alles schwarz – monatelang. Ein schwarzer Abgrund, eine Leere in meinem Gedächtnis, die ich niemals, niemals mit Erinnerungen füllen würde. Denn diese Erinnerungen wollte ich nicht zurück.
Ich überlegte kurz und wandte mich dann den anderen zu. »Raus mit euch. Roz, du bleibst. Du bist ein Incubus, du wirst mir helfen können. Aber ihr anderen – Chase, damit bist auch du gemeint – geht raus und haltet die Tür verbarrikadiert, bis ich euch sage, dass ihr aufmachen könnt. Und
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