Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
Außenseiter normalerweise nichts erfuhren. Eines führte nach Aladril und eines nach Finstrinwyrd. Vermutlich gab es noch mehr, aber diese beiden waren die einzigen, die sie uns gegenüber erwähnt hatte. Wir durften sie benutzen, wenn wir es für notwendig hielten. Und jetzt sah es so aus, als sei es dringend notwendig. Natürlich wusste Trillian längst von diesen beiden Portalen. Er schien die Hände wirklich überall im Spiel zu haben.
»Wenn wir erst das Stadttor von Aladril erreicht haben, müssten wir sicher sein, zumindest vor Lethesanar und ihrem Klüngel. Sie würde es nicht wagen, Aladril anzugreifen, denn dann würden die Seher Y’Elestrial dem Erdboden gleichmachen.« Camille warf einen Blick auf die Uhr. »Gehen wir.«
Morio hielt seinen Schlüsselbund hoch. »Wir fahren mit meinem Auto. Also los, auf geht’s.«
Zehn Minuten später bogen wir auf den Waldweg ab und stiegen aus. Morio schloss den Wagen ab, und wir begannen die Wanderung durch den Wald. Camille hatte diesen Weg schon einmal zurückgelegt, allein und im Dunkeln, was mich ungeheuer beeindruckte, denn die verschneite Stille der Wälder war sogar mir unheimlich. Hier in der Erdwelt zog ich das Funkeln der Großstadtlichter einer Nacht in der Wildnis vor. Da lief alles kontrollierter, ich konnte eher vorhersehen, was geschehen würde. Dächer waren leicht zu erklimmen, und ich hatte nie das Gefühl, dass die stillen Gebäude mich beobachteten.
Camille ging voran. Wir bewegten uns lautlos durch den Wald, denn die dicke Schneedecke dämpfte jedes Geräusch. Der Mond schien durch eine Wolkenlücke – eine Seite der vollen, runden Pracht wurde bereits wieder von den dunklen Göttern gefressen. Dunkelmond, Neumond, war die Zeit, zu der die Toten am liebsten durch die Welt streiften. Die Mondmutter war die Herrin über die Wilde Jagd und über Hexen wie meine Schwester, aber die Dunkle Mutter wachte über uns, die wir aus dem Leben geschieden waren; die Eiszapfen auf den Darstellungen des Alten Weibes spiegelten die stählern blitzenden Zähne von Großmutter Kojote.
Wir erreichten das Portal, und Großmutter Kojote war da und trat schweigend beiseite, um uns passieren zu lassen. Als wir durch das schimmernde Netz aus Magie schritten, das zwischen den Menhiren hing, fragte ich mich, was uns in Aladril erwarten mochte. Würden wir genug erfahren, um Dredge aufspüren und zerstören zu können, ehe er die Menschheit in Panik versetzte und zu gewalttätigem Hass gegen alle Übernatürlichen anstachelte?
Kapitel 12
Ich hatte vergessen, dass die Nächte in der Anderwelt, ohne elektrisches Licht und Neonleuchten überall, viel dunkler waren und man die Sterne besser sehen konnte. Die Welt wirkte viel größer und weiter als Erdseits, und ich stellte ein wenig schockiert fest, wie sehr ich mich schon an meine Wahlheimat gewöhnt hatte.
Camille hatte uns Stunden zuvor über den Flüsterspiegel angekündigt, und Trenyth erwartete uns bereits. Er winkte unsere Höflichkeiten ab und kam direkt zur Sache.
»Ihre Majestät bedauert sehr – sie kann sich heute Abend nicht mit euch treffen. Geht nicht nach Y’Elestrial, so groß die Versuchung auch sein mag.« Er schob uns auf einen Weg in der Nähe des Grabhügels zu, in dem das erste Portal versteckt war. »Folgt mir. Ich habe nicht viel Zeit, also werde ich euch nicht bis nach Aladril begleiten können, aber ihr dürft denselben Weg nehmen, um wieder nach Hause zu gelangen.«
Alles in der Anderwelt war anders – die Luft fühlte sich anders an, und die Energie, die ich im Boden spürte. Als wir aus dem Portal traten, war es, als sei die ganze Welt zum Leben erwacht und sich unserer Gegenwart bewusst.
In der Erdwelt hatte ich mich an das Gefühl eines sehr gedämpften Bewusstseins gewöhnt und sogar Geschmack daran gefunden. Wenn meine scharfen Sinne ohnehin übermäßig auf jeden Laut, jeden Geruch und jeden Pulsschlag in meiner Nähe reagierten, war es zur Abwechslung ganz angenehm, nicht auch noch von den natürlichen Energien der Elemente überflutet zu werden. Aber hier war diese Lebendigkeit von allem noch immer eine glühende, vitale Kraft, die das gesamte Wesen unseres Heimatlands durchdrang.
Ein seliger Ausdruck breitete sich über Camilles Gesicht. »Ach, es tut so gut, zu Hause zu sein. Das hat mir so gefehlt.«
Morio begaffte das Panorama des Sternenhimmels. »So klar und deutlich habe ich die Sterne noch nie gesehen – nicht einmal von den Höhen des Fujiyama aus.« Er
Weitere Kostenlose Bücher