Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
trat einen Schritt auf Camille zu, die den Kopf in den Nacken legte und tief einatmete.
»Ein herrlicher Anblick, nicht?«, bemerkte sie. »Ich wünschte, wir könnten dir Y’Elestrial zeigen. Unsere Heimatstadt ist unglaublich schön.«
»Wir müssen uns beeilen«, mahnte Trenyth und bedeutete uns, ihm zu folgen. »Ich wünschte, wir könnten uns mehr Zeit lassen, aber das dürfen wir nicht.«
Ich berührte Camille am Arm.
Sie seufzte, lang und bebend, und ihre Schultern sanken herab. »Ich komme ja schon.«
Ich reihte mich hinter ihr und Trillian neben Morio ein, und wir marschierten einen knappen halben Kilometer weit bis zu einer gewaltigen Eiche, die mindestens sechs- oder siebenhundert Jahre alt sein musste. Der Baum ragte als dunkle Silhouette in den Nachthimmel auf, umrahmt von einem schwachen Leuchten. Die Äste breiteten sich über dem Pfad aus, behangen mit Moos und Efeu. Spinnweben hingen zwischen den Zweigen, und die Spinnen beobachteten uns wachsam und hoben die gekrümmten Beine, wenn wir ihnen zu nahe kamen.
Camille schnappte nach Luft. »Diese Eiche muss uralt sein.«
»Ich habe noch nie so viel Macht bei einem Baum gespürt«, sagte Morio. »Oder vielleicht schon, aber nicht diese... Verbundenheit.«
»Die Wälder hier sind denjenigen, die den Weg der Magie beschreiten, viel stärker verbunden«, erklärte Camille. »Erdseits sind die Wälder wild und unberechenbar. Sie verschließen sich und hüten ihre dunklen Geheimnisse. Hier besitzen die Wälder mehr Macht, und es ist leichter, Umgang mit ihnen zu pflegen. Natürlich mögen die Wälder trotzdem nicht jeden. Schon so mancher hat einen Wald betreten und ist nie wieder herausgekommen.«
Morio nickte und starrte hingerissen zu dem alten Riesen auf. »Ich glaube, ich verstehe.«
»Wir haben die Eiche um das Portal herum wachsen lassen«, sagte Trenyth. »Ich erinnere mich gut an damals, als wir die Eichel gepflanzt haben. Sobald ihr durch die Tür tretet, befindet ihr euch im Portal. Mögen die Götter mit euch sein.«
Trillian trat beiseite. »Hier muss ich euch verlassen. Ich kehre so bald wie möglich in die Erdwelt zurück. Gebt gut auf euch acht.« Er wandte sich Camille zu und streckte die Arme aus. Stumm ging sie zu ihm, und sie küssten sich. Sie sahen aus wie das perfekte Paar. Er liebte sie, und sie liebte ihn. Auf ihre eigene Art waren sie so gut wie verheiratet, obwohl ich wusste, dass sie nie offiziell die Ehe schließen würden. Als Camille von ihm zurücktrat, schimmerten Tränen in ihren Augen.
»Jedes Mal, wenn du ausziehst, habe ich Angst, dass du vielleicht nie zurückkommst. Sorg bloß dafür, dass du deinen Hintern lebend wieder rüberschaffst, hörst du?«
Er hielt ihre Hände. »Dies sind finstere Zeiten. Ich kann dir nichts versprechen, aber ich werde immer zu dir zurückkehren, wenn es irgendeinen Weg gibt.«
»Die Mondmutter schütze dich.« Sie hob die Hand und strich ihm das lange, silbrige Haar aus dem Gesicht. »Du bist mein. Du gehörst mir.«
Seine frostfarbenen Augen blitzten auf, doch er neigte nur den Kopf, wandte sich dann ab und verschwand in der Nacht. Camille sah ihm noch einen Moment lang nach, bis Morio ihr eine Hand auf die Schulter legte. Sie wies auf den Baum.
»Gehen wir«, sagte sie und trat durch das Portal, das sie knisternd verschlang. Morio folgte ihr, und dann war ich dran. Durch das Portal zu gehen war, als betrete man in voller Metallrüstung eine Magnetfabrik. Es fühlte sich an, als würde jede einzelne Körperzelle von den anderen losgerissen und dann wieder zusammengestampft, ehe man ganz mitbekommen hatte, was mit einem passierte. Es war nicht viel zu sehen oder zu hören, bis auf blendende Farbblitze und ein aufdringliches Summen, das den ganzen Schädel vibrieren ließ. Und dann, so plötzlich, wie sie begonnen hatte, war die Reise wieder vorbei.
Als wir in Aladril aus dem Portal traten, hoffte ich, dass der Mann, den wir in der Stadt suchten, ebenso begierig darauf sein würde, mit uns zu sprechen, wie wir mit ihm.
Das Portal von Elqaneve nach Aladril führte in einen kleinen Schrein, knapp einen halben Kilometer außerhalb der Stadt der Seher. Die Wachen waren benachrichtigt worden und erwarteten uns bereits. Sie sahen zwar aus wie Vollblutmenschen, hatten aber eine magische Aura. Sie stanken förmlich nach Magie – ein eindeutiger Geruch nach Ozon und brennendem Metall.
Zwei Männer und eine Frau warteten auf uns. Alle waren sehr groß, über einen Meter neunzig,
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