Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
zurückzuziehen.« Mir war jetzt erst aufgefallen, dass ich in all dem Chaos vergessen hatte, ihm Bericht zu erstatten. »Du wirst ihm also nichts tun, oder?«
»Wenn er sein Wort hält, wird ihm nichts geschehen. Es überrascht mich, dass dir das ohne Einsatz deiner Zähne gelungen ist. Er war wild entschlossen, dieses Amt zu bekommen.«
»Ja … Ich habe an seinen Willen appelliert, noch ein Weilchen zu leben. Was ist jetzt mit Terrance? Was machen wir mit ihm?« Das Fangzabula zu infiltrieren, war das Letzte, was ich tun wollte – nein, das stimmte nicht ganz. Das Allerletzte, was ich tun wollte, war, in diesen Keller zu gehen und Ivana zuzuschauen.
»Über ihn unterhalten wir uns später. Bis dahin sei auf der Hut. Ivana vergisst niemals ein Gesicht oder einen Handel. Wahrscheinlich wird sie sich an deine Fersen heften, um sich noch mehr Fleisch zu verdienen. Aber sei vorsichtig: Du magst zur Hälfte Fee sein, aber die Alten Feen sind eine ganz eigene Art. Wenn du zu oft Geschäfte mit ihnen machst, besitzen sie irgendwann deine Seele.«
Als ich auflegte, dachte ich bei mir, dass Roman gern wichtige Informationen unter den Tisch fallen ließ und ich ihn in Zukunft genauer nach den Einzelheiten fragen sollte. Ich steckte mein Handy in die Tasche, schaute die stille Straße hinauf und hinunter und ging dann wieder zum Imbiss zurück.
Als ich die Eingangstür erreichte, bebte der Boden unter meinen Füßen so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor. Ich schlug der Länge nach hin, und im selben Moment hallte ein Heulen, so durchdringend wie ein Überschallknall, über das Lokal hinweg. Dann implodierte das Gebäude in einer gewaltigen Wolke aus Staub und Schutt.
Ich saß benommen da, mit weißem Staub bedeckt, als plötzlich ein faustgroßer Betonbrocken herabsauste und mich am Kopf traf. Der Aufprall schleuderte mich wieder zu Boden, richtete aber nicht annähernd so viel Schaden an, wie er bei einem VBM oder einer meiner Schwestern bewirkt hätte. Ich brauchte nur einen Moment, um den Schlag auf den Kopf abzuschütteln und aufzuspringen. Ich begann, meine Jeans abzuklopfen, befand aber rasch, dass es zwecklos war.
Ein Blick auf das Lokal sagte mir, dass da drin nie wieder irgendjemand seine Limo trinken würde. Dann fiel mir ein, dass Ivana verletzt sein könnte, und ich überlegte noch, ob ich versuchen sollte, sie zu finden. Doch da marschierte eine Gestalt die Kellertreppe herauf. Es war Ivana in ihrer ganzen Pracht eines Kuriositätenkabinetts, auf ihren Stab gestützt und mit einem schimmernden Schleier Geister im Schlepptau.
Ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend verriet mir, dass ich insgeheim gehofft hatte, sie sei mitsamt dem Gebäude in die Luft geflogen. Wer die Kraft besaß, ein Lokal in Schutt und Asche zu legen, den wollte ich entweder sicher auf meiner Seite oder raus aus meinem Leben haben. Innerlich verfluchte ich Roman. Wenn er mir gesagt hätte, mit wem ich es zu tun bekommen würde, hätte ich versucht, eine andere Lösung für dieses gespenstische Problem zu finden.
Ivana marschierte direkt auf mich zu und begrüßte mich mit einem unheimlichen Grinsen. Sie hob ihren Stab. »Ich habe die Geister herausgesammelt, und sie sind hier, ich nehme sie mit. Zweiter Teil der Abmachung – dahin gehen wir jetzt. Ich möchte nicht mehr draußen sein, wenn der Tag anbricht.«
»Ich auch nicht«, brummte ich. Ich musterte sie stirnrunzelnd und beschloss auszuprobieren, was sie tun würde, wenn ich ihr vorschlug, unsere Abmachung zu ändern. Sie im Untergrund von Seattle herumspazieren zu lassen, erschien mir auf einmal sehr gefährlich – als würde ich sie gleich auf die ganze Stadt loslassen. »Falls du dir wegen der Uhrzeit Gedanken machst, können wir unsere Abmachung neu verhandeln …«
»Willst du etwa andeuten, dass ich die Abmachung nicht erfüllen könnte, Vampyr? Beleidigung! Beleidigung, sage ich, und ich verlange eine Entschädigung!«
Die Maid von Karask stampfte mit dem Fuß auf und wurde noch größer, und mir ging auf, dass ich Mist gebaut hatte. Gewaltigen Mist. Aber ich wagte es nicht, mich zu entschuldigen – genau wie ein Danke bedeutete auch ein Entschuldigung, dass ich ihr gegenüber eine Schuld anerkannte.
»Ich bin sicher, dass du die Abmachung erfüllen wirst. Ich habe mich falsch ausgedrückt.« Der Stein in meinem Magen wurde zusehends schwerer. Ich musste sie irgendwie besänftigen, ohne ihr etwas zu versprechen, das ich ihr nicht ohne weiteres geben
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