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Schwestern schenkt der liebe Gott

Schwestern schenkt der liebe Gott

Titel: Schwestern schenkt der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.Z. Thomas
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Zimmer und spielt dort. Aber macht nichts
entzwei, hört ihr?“
    Brüder traut seinen Ohren nicht. Ins Zimmer von Käptn Kraff? Nie hätte er gedacht, daß er
jemals allein dort spielen dürfte!
    Als Käptn Kraff genau an dem
Tage, an dem Brüder geboren wurde , ein Schiff bekam,
mußte er von seiner Wohnung Abschied nehmen. Seine Sachen mußte er
zurücklassen, denn er konnte nichts davon mit an Bord nehmen. Tante Käthe
versprach ihm damals, auf alles aufzupassen, und zog in seine Wohnung.
    In einem Zimmer richtete sie
sich ein Schreibbüro ein, denn sie muß Geld verdienen. Sie geht zu fremden
Leuten, läßt sich Briefe und andere Schriftsachen diktieren und schreibt sie zu
Hause auf der Schreibmaschine.
    Das Kapitänszimmer aber ist
genauso geblieben, wie es Käptn Kraff verlassen hat. Die ganzen Jahre ist er
zur See gefahren und hat sich nicht mehr darum kümmern können. Manchmal
schreibt er Tante Käthe eine Ansichtskarte aus Japan oder aus Indien. Das ist
alles, was man seither von ihm zu Gesicht bekommen hat.
    Tante Käthe macht die Türe auf
und läßt Brüder und Puck eintreten. Sie schärft ihnen noch einmal ein, nichts
zu zerbrechen, und dann geht sie an ihre Arbeit.
    Brüder und Puck sind allein.
    „Prost Mahlzeit!“ sagt jemand
am Fenster. Das ist Karolin’, Käptn Kraffs Papagei, der auf einem
Messingständer sitzt und sich freut, daß er Gesellschaft bekommt.

    „Mahlzeit, Karolin’!“ antwortet
Brüder höflich und blickt sich im Zimmer um.
    An der Längswand gegenüber der
Tür zwitschern und flöten Käptn Kraffs exotische Vögel in einer Reihe von
Käfigen hinter grünen Blattpflanzen. Darunter stehen seine Schiffstruhen aus
ostindischem Sandelholz, über die persische Teppiche gebreitet sind.
    Oben an der Zimmerdecke
schaukelt ein ausgestopfter Fregattvogel, der schnellste Segler der „Weltmeere,
und betrachtet argwöhnisch ein Krokodil, das mit gläsernen Augen vor dem Bücherschrank
von den Ufern des Blauen Nil träumt.
    Die Wand neben der Tür ist mit
malaiischen Dolchen, türkischen Säbeln, mit Pfeilen und Bogen der Indianer, mit
Speeren aus Afrika, Harpunen der Eskimos und Bumerangs aus Australien bedeckt.
    Brüder wiegt einen Speer prüfend in der Hand. Dann richtet er die Spitze auf Puck. Puck
klemmt den Schwanz ein und schlängelt sich hinter die Schiffstruhen. Jetzt
müßte Peng ‘reinkommen! Brüder stellt sich wurfbereit
hinter die Tür, holt aus, und rumms! knallt die Speerspitze in das Holz der
Türe.
    „Brüder, was machst du denn?“
ruft Tante Käthe von nebenan.
    „Nichts!“ gibt er zurück und
zieht den Speer aus der Tür.
    Er legt einen Pfeil auf die
Sehne eines leichten Bogens, zielt auf Karolin’, und ptschsch! läßt er den
Pfeil fliegen.
    Karolin’ sträuben sich
sämtliche Federn. Sie kreischt empört auf. Der Pfeil hängt in der Gardine.
Brüder lacht . Das müßte Frau Professor Stork sein, die
behauptet, seine Schwester sei netter als er!
    Er ergreift einen Säbel, geht
auf das Krokodil zu und haut ihm mit dem flachen Säbel zang! eins hinter den
Kopf. Das Krokodil versteht gottlob Spaß und grinst nur von einem Ohrloch zum
anderen. Heil bleibt es auch, denn es ist dick gepanzert. Was wohl Frau
Zattersteg sagen würde, wenn Brüder mit dem Säbel ankäme?
    „Puck, jetzt bist du Frau
Zattersteg!“
    Brüder fährt mit dem Säbel auf Puck los. Puck rast in wilder Flucht um den Tisch. Brüder
hinterher. „Wo haben Sie denn Ihren Scheuerlappen, Frau Zattersteg?“ ruft er
und will sich krumm lachen.
    Beim Laufen stößt er an einen
sonderbaren Hocker und bleibt stehen. Der Hocker hat große polierte Zehennägel.
„Mensch“, sagt Brüder zu Puck, „das ist ja ‘n Elefantenbein!“ Wahrhaftig, das
runde graue Ding gehörte einst einem Elefantenbullen, höher als das Zimmer, und
ist wohl tausendmal durch den Urwald gestapft, bis Käptn Kraft eines Tages mit
der Winchesterbüchse, Kaliber 8, dem Riesen das Lebenslicht ausblies.
    Brüder pflanzt sich sofort darauf. „Wir nennen ihn Brigga!“ sagt er, denn dies ist der einzige
Elefantenname, den er kennt. Schon reitet er auf seinem Elefanten davon. Doch
seltsamerweise hat er heute keine Ausdauer beim Spielen. Er muß an seine Mutter
denken, die in der Klinik liegt. Und an den kleinen roten Runzelkopf, der seine
Schwester sein soll.
    Er hängt die Waffen an die Wand
zurück, zerrt den Pfeil aus der Gardine und läuft ins Nebenzimmer zu Tante
Käthe. Mit irgend jemand muß er darüber sprechen.
    Tante

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