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Schwestern schenkt der liebe Gott

Schwestern schenkt der liebe Gott

Titel: Schwestern schenkt der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.Z. Thomas
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Käthes Finger fliegen
über die Tasten der Schreibmaschine. „Ich habe keine Zeit, Brüder!“ sagt sie.
    Die Mutter hatte immer Zeit für
ihn. Er konnte kommen, wann er wollte.
    „Dann gehe ich auf die Straße“,
erklärt er. Vielleicht kann er sich mit der Annabodätsch unterhalten. Die
Annabodätsch hat schräg gegenüber dem Neubaublock einen Kiosk in Form eines
Pilzes, in dem man Zigaretten, Zeitschriften und Süßigkeiten kaufen kann. Sie
mag Brüder und Puck gut leiden. Sie hat selber keine Kinder. Ihr Mann ist im
Krieg gefallen, und nun lebt sie ganz allein.
    Doch als Brüder zum Pilz kommt , ist sie nicht da. Sie ist zum Mittagessen nach Hause
gegangen, und nur die langweilige Verkäuferin guckt zum Fenster hinaus.
„Brüder!“ ruft eine helle Stimme über die Straße.
    Das ist Guggi. Ach, endlich!
Brüder ist erlöst.
    „Guggi! Wir haben ein Kind!“
ruft er über die halbe Straße. „Eine Schwester!“ Guggi macht ihre größten
Augen. „Ochchch!“
    „Mutti ist in der Klinik. Sie
liegt im Bett!“
    „Da muß ich sofort hin!“
erklärt Guggi. „Hier, nimm meine Mappe mit hinauf. Kannst schon mit Essen
anfangen. Ich esse später!“ Sie drückt Brüder ihre Schulmappe in den Arm, dreht
sich um und läuft, daß ihr Rock fliegt. Puck begleitet sie.
    Brüder steht mit der Mappe allein auf der Straße und sieht ihr nach. Jetzt spürt er erst,
daß er hungrig ist. Und wie! Er geht ins Haus und klingelt bei Tante Käthe.
    Tante Käthe kommt ihm im Hut
entgegen. „Ich muß fort, Brüder. Die Schreibsachen wegbringen. Was willst du
denn?“
    „Ich habe Hunger, Tante Käthe!“
    „Komm, ich schließ’ dir oben
auf. Du kannst dir selber etwas nehmen. Dein Vater ißt heute ausnahmsweise in
der Kantine bei Bresselmanns. Er hat soviel zu tun!“
    Es ist nur gut, daß Frau
Günther die Schlüssel bei Tante Käthe in den Briefkasten geworfen hat. Sonst
sähe es heute schlecht für Brüder aus.
    Tante Käthe steckt das
Schlüsselbund von innen an die Wohnungstür. „So, dann kannst du zuschließen,
und es kann dich keiner wegschleppen! Aber vergiß nicht, die Schlüssel
abzuziehen, wenn du weggehst, hörst du!“ Brüder ist mit seinen Gedanken schon beim Essen. Tante Käthe verschwindet, und Brüder geht hinein.
    Noch nie ist ihm die Wohnung so
leer und verlassen vorgekommen wie jetzt. Auf dem Herd in der Küche steht ein
Topf mit Sternchennudeln. Es ist alles vorbereitet. Man braucht sie nur noch
fertigzukochen. Aber dazu hat niemand Zeit gehabt. Brüder weiß zwar, wie man
das Gas ansteckt, doch die Kocherei erscheint ihm zu riskant, obwohl er
Sternchennudeln gern ißt. Sonst kommt sein Vater jeden Mittag nach Hause.
Deshalb wohnen sie ja auch hier im Block in der Gellertstraße, weil es so nahe
zum Werk ist und der Vater nicht dort in der Kantine zu essen braucht.
    Brüder geht an den Brotkasten, nimmt das Brot heraus und legt es vor die
Brotschneidemaschine. Dann dreht er die Kurbel und freut sich über die Scheibe,
die das runde Messer absäbelt. Eine Scheibe ist ihm zu
wenig. Er kurbelt noch einmal und dann noch öfter. Zwischendurch verstellt er
der Abwechslung halber die Schraube und macht ganz dünne und ganz dicke
Scheiben. So, nun sind es wohl genug. Und außerdem ist auch das Brot alle.
    Er bestreicht die Scheiben mit
Butter, eine nach der anderen, und hört erst auf, als die Butterdose leer ist.
Auf die Butter legt er Wurst. Wunderbar, wie das geht! Er kommt sich wie ein
gelernter Küchenmeister vor. Guggi wird strahlen, daß sie gleich essen kann, wenn sie aus der Klinik zurück ist.
    Heißhungrig beißt er in eine
Schnitte. Aber komisch, es schmeckt ihm nicht. Er kuscht in die Wohnung. Nichts
rührt sich. Der Bissen in seinem Munde will überhaupt nicht kleiner werden. Er
beugt sich über den Milchtopf und trinkt in großen Schlucken. Aus den:
Milchtopf zu trinken ist zwar verboten, doch heute sieht es ja keiner. Dann ißt
er noch ein Stück Brot.
    Kauend geht er auf den Flur und
wandert ins Wohnzimmer. Wie unheimlich still es ist! Sein Leben lang ist Brüder nicht so allein gewesen wie jetzt. Entweder war
seine Mutter da. Oder Puck. Oder Guggi. Es gab immer etwas zu spielen, zu
lachen, zu erzählen. Wenn er Durst hatte, gab es etwas zu trinken. Hatte er
Hunger, so bekam er etwas zu essen. Noch nie ist ihm aufgefallen, daß es nicht
schmeckt, wenn kein Mensch bei einem ist.
    Ohne jeden Anlaß beginnt sein
Herz ganz laut zu klopfen. Tocke — tocke — tocke — er spürt es bis in den

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