Schwestern schenkt der liebe Gott
Käthe wird jeden Moment zurückkommen. Warte hier auf sie,
Brüder!“ Es folgen eine Unmenge Ermahnungen. Dann geht die Mutter zur
Straßenbahn. Sie ist glücklich, daß Brüder endlich bereit ist ,
sich um seine Schwester zu kümmern, die er sonst geflissentlich meidet. Sie
weiß, daß sie sich auf ihn verlassen kann.
Puck möchte gern mit in die
Stadt. Aber er erhält den Auftrag, Brüder und Regine zu bewachen.
Brüder fährt vor dem Neubaublock auf und ab. Er blickt zum Pilz hinüber. Die Annabodätsch
ist noch nicht da. Nur die langweilige Verkäuferin. Jetzt wäre eine herrliche
Gelegenheit, zur Annabodätsch zu fahren. Aber darf er denn? Er hat Mutter
versprochen, daß er sich nicht weit vom Hause entfernen wird. Nach seiner
Meinung ist es nicht weit bis zur Annabodätsch. Aber ist das auch die Meinung
seiner Mutter?
Brüder ringt mit sich selber. Er hüpft mit einem Bein über die Steinfliesen und schiebt
dabei den Wagen vor sich her. Wenn er bis zum nächsten Baum nicht auf eine
Ritze tritt, wird er fahren. Er tritt auf keine Ritze. Und trotzdem fährt er
nicht.
Puck geht inzwischen auf die
andere Straßenseite und liest die neuesten Hundenachrichten an den Bäumen und
an den Torwegen. Manchmal schreibt er eine kleine Zeile dazu. Dann trippelt er
zum Pilz, setzt sich vor das große Fenster, in dem die Keksschachteln
aufgetürmt sind, und bettelt. Aber weil die Annabodätsch nicht da ist, bekommt
er nichts.
Dreimal fährt Brüder an der Haustür vorüber. Er traut sich nicht, die Tiere zu holen, obwohl
ihn niemand beobachtet. Wenn ihn die Mutter nicht vorhin gestreichelt hätte,
wäre er schon längst mit den Tieren über alle Berge. Aber nun ist er
unentschlossen. Vielleicht ist es überhaupt besser, die Tiere zu Tante Käthe zurückzubringen?
Der Käptn ist womöglich gar nicht gefährlich...
Im gleichen Augenblick, als
Brüder an den Käptn denkt, kommt ein Herr die Straße herauf, ein Herr wie ein
Schrank; er hat einen Fünfgallonenhut mit breiter Krempe auf dem Kopf, den er
bestimmt nicht in der Gellertstraße gekauft hat, und ist braungebrannt, als
hätte er ein Jahr Sommerfrische hinter sich. Der Herr steuert auf die beiden
zu, beguckt sich Regine im Wagen und sagt zu Brüder mit der tiefsten Stimme,
die man je gehört hat: „Du bist ja ein feiner Kavalier, daß du deinen Schatz im
Wagen spazierenfährst!“
„Das ist nicht mein Schatz“,
antwortet Brüder grob. „Das ist bloß meine Schwester!“
„So?“ Die Augen des Mannes
blitzen. „Dann paß nur gut auf sie auf, daß sie dir keiner wegnimmt! Solch süße
Deern findet man nämlich nicht alle Tage! „ Er lacht und geht schnurstraks in
Günthers Haus hinein.
Brüder erstarrt. War das etwa
Käptn Kraff? In seinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Der und nicht
gefährlich?
Schon ist Brüder an der Haustür. Er hört, wie oben bei Tante Käthe geklingelt wird und
wie der Herr sagt: „Dschä, Karolin’, altes Ungeheuer, nu mach man nicht solchen
Krach! Ist denn keiner zu Hause?“
Da rast Brüder wie der Blitz in
den Keller. In Windeseile packt er die Dame Laura, Mumme, Brigga und Kroko,
rennt zu rüde zu Regine, legt das Krokodil der Länge nach neben sie, Brigga an
ihr Fußende, schiebt Mumme und die Dame Laura unter den Lederriemen des Wagens,
wirft die bunte Decke ausgebreitet darüber und jagt mit dem vollbesetzten
Fahrzeug davon.
Puck sieht, wie er abflitzt,
und stürzt mit wehenden Ohren hinter ihm her. Fast hätte er den Anschluß
verpaßt!
Kroko reckt seinen
aufgesperrten Rachen weit heraus, denn er ist fast doppelt so lang wie der
Sportwagen. Es ist das erste Mal, daß er im Kinderwagen spazierengefahren wird,
und es sieht fast so aus, als lache er über sein ganzes listiges Horngesicht.
Sämtliche Krokodile zwischen Mississippi und Ganges würden Augen machen, wenn
sie ihn jetzt sähen!
Regine hat ihre
Reisegesellschaft nicht begrüßen können. Dazu ging das Einsteigen zu rasch.
Jetzt kümmert sie sich mit keinem Auge darum. Sie strahlt nur ihren Fahrer an.
Es begeistert sie maßlos, daß er Gas gibt, was das Zeug hält. Mit kleinen
Jauchzern und Zwischenrufen feuert sie ihn an: „Amei deina, Tütü! Heia heia!“
Und Brüder fliegt dahin, daß Puck fast nicht
nachkommt.
In einer stillen Seitenstraße
verlangsamt er die Fahrt, zieht die herabgerutschte Decke auf dem Wagen zurecht und klingelt an einer braunen Holztür. Links und
rechts von dieser Tür grenzen hohe Tannenhecken einen blühenden Garten und
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