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Schwestern schenkt der liebe Gott

Schwestern schenkt der liebe Gott

Titel: Schwestern schenkt der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.Z. Thomas
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und
schaukelt Regine im Arm vor seiner Brust auf und ab, „wenn ich das Glück gehabt
hätte, in meiner Kindheit eine Schwester zu besitzen, dann hätte mich im Leben
gewiß nichts davon abgehalten, eine Frau zu suchen. Aber ich habe nie die
richtige kennengelernt, und deshalb bin ich heute mit meinen Büchern
verheiratet und nicht mit einem Menschen. Und wenn ich draußen herumspaziere,
gehe ich mit einem alten Regenschirm untergehakt und nicht mit einer Frau. In der
Kindheit sind es die Schwestern, die uns an der Nase zupfen, wenn wir sie zu
hoch tragen, und die uns stets daran erinnern, daß vier Hände, die gemeinsam
eine Burg im Sandkasten bauen, schneller damit fertig werden als zwei. Wenn wir
erst erwachsen sind, macht uns niemand mehr darauf aufmerksam.“
    „Ach, Herr Professor“, ruft die
Annabodätsch, „ich könnte Sie mir wunderbar als Vater vorstellen!“
    Professor Katermann schmunzelt.
„Willst du mir deine Schwester nicht verkaufen?“ wendet er sich im Spaß an
Brüder.
    „Schwestern kann man nicht
kaufen“, meint Brüder. „Schwestern schenkt der liebe Gott. Wenn man sie nicht
geschenkt bekäme, würde sie nämlich keiner haben wollen.“
    „Und weshalb nicht?“
    „Weil sie einen bloß ärgern!“
    „Ja, mein Sohn, das tun sie
allerdings. Und ich möchte hinzufügen: zu unserem Glück! Wenn du schon mal Auto
gefahren bist, weißt du sicher, wie wichtig der Anlasser ist. Man kommt ohne
ihn nicht vom Fleck. Was aber der Anlasser für das Auto, das ist der Ärger für
den Menschen. Die großen Taten der Weltgeschichte lassen sich darauf
zurückführen, daß Menschen sich irgendwann einmal über irgend etwas gründlich
geärgert haben!“
    „Sie können die Gine ja
behalten!“ schlägt Brüder vor. Der Professor schaut Regine an. „Hast du das
gehört?“ fragt er sie. „Paß auf, du kommst mit zu mir! Wir beide werden uns
glänzend verstehen. Ich werde dich adoptieren, und dann ziehen wir zwei in das
Häuschen der Annabodätsch!“
    Regine klopft ihm mit dem
Löffel vor die Stirn. „Tütü“, kräht sie, „heia ata, mömmöm, ide heide Tütü!“
und strampelt mit den Füßen gegen den Bauch des Professors.
    „Was sagt sie?“ fragt Professor
Katermann.
    „Ich soll mit ihr ‘rumrennen“,
übersetzt Brüder und denkt: Wenn der Professor das nicht mal versteht!
    „Ach, was hast du denn von
einem Jungen, der nichts von dir wissen will?“ sagt der Professor ärgerlich zu
Regine und drückt sie an sich. „Jetzt gebe ich dich nicht wieder her!“
    Vielleicht drückt er sie ein
bißchen zu heftig, man weiß es nicht. Er ist ja den Umgang mit Schwestern nicht
gewöhnt. Es kann aber auch sein, daß Regine durchaus nicht die Absicht hat, bei
ihm zu bleiben, und daß sie endlich wieder zu Brüder will. Und was Regine will, das schafft sie auch. Der Professor spürt etwas
Warmes und Feuchtes an seinem Hosenbein hinunterrinnen.
    Und weil er ein Professor ist,
überlegt er zuerst, ob er nicht einer Sinnestäuschung unterliege. Denn es gibt
keinen schlimmeren Fehler für einen Wissenschaftler, als sich täuschen zu
lassen. Als zweites überlegt er, daß es sich, sofern es keine Täuschung ist, um
eine seltsame und für einen warmen Sommertag ganz ungewöhnliche Erscheinung
handeln müsse. Darüber versäumt er leider, Regine ebenso schnell wie weit von
sich abzuhalten.
    Im Gegenteil, er hebt sie noch
dicht vor sich in die Höhe, um die Ursache der plötzlichen Feuchtigkeit zu
ergründen, und ein fröhliches Bächlein plätschert in hellem Strahl über ihn
dahin.
    Der Professor erstarrt. Er
wirft einen sehnsüchtigen Blick auf seinen Regenschirm, der völlig nutzlos an
der Hauswand lehnt, und dann sieht er Regine an, wie ein Kater einen sauren
Hering anguckt. „Du bist ja undicht!“ bemerkt er entgeistert.
    Die Annabodätsch stürzt mit
einem Schrei — aber leider viel zu spät — zu ihm und nimmt ihm Regine vom Arm.
Regine fängt an zu brüllen. Der Professor steht auf, schüttelt sich und klopft
sich die Weste, den Rock, die Hosenbeine ab.
    Puck, der im Grase gelegen hat
und nach Fliegen schnappte, wundert sich über die plötzliche Unruhe am Tisch.
Er trippelt an den Professor heran und schnuppert an seinem Hosenbein. Dann
legt er den Kopf in den Nacken und geht naserümpfend beiseite. Pfui, Herr
Professor!
    „Siehst du, mein Sohn“, sagt
der Professor zu Brüder , „man kann theoretisch sehr
wohl von der Notwendigkeit des Ärgers, den uns die Schwestern bereiten,
überzeugt sein.

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