Schwestern schenkt der liebe Gott
Günther warten, begibt sich Brüder zum
zweitenmal auf den Weg zur Annabodätsch. Er muß die Here zurückholen, er will
kein Dieb sein!
Doch am Hortensienplatz läuft
er seiner Mutter in die Arme.
„Brüder! Regine!“ ruft sie.
Den ganzen Nachmittag ist die
Mutter durch die Stadt gelaufen und hat Wohnungen besichtigt. Sie hat auch eine
gefunden, vier Treppen hoch, mitten in der Stadt. Glücklich ist sie nicht
darüber, denn da ist es schrecklich laut. Das Haus steht an der Kreuzung zweier
Hauptverkehrsstraßen. Den ganzen Tag wird man den Lärm der Autos und
Straßenbahn hören und am Abend das Radio des Nachbarn. Die Wände sind sehr
dünn. Aber was bleibt ihnen übrig? Es wird auch viel Schmutz geben, denn aus
den Fabrikschornsteinen wirbelt der Ruß, und von der Straße weht der Staub bis
zu den Fenstern hinauf. Zum Spielen gibt es keine Plätze und Anlagen in der
Nähe. Leider!... In acht Wochen können sie einziehen.
Und Brüder weiß ein kleines
Häuschen mit einem Garten voller Blumen. Ohne Lärm. Ohne Staub. Mit einem
herrlichen Spielplatz für ihn und Regine. Aber er darf nichts sagen, denn sonst
kommt es heraus, daß er ein Dieb ist. Und er muß ins Gefängnis.
Ja, wäre alles noch so wie
früher, als Regine nicht auf der Welt war, dann würde er jetzt, ohne sich zu
besinnen, mit seiner Mutter reden. Damals waren er und seine Mutter noch eins,
und was er erlebte, das erlebte auch seine Mutter. Da gab es keine Trennung.
Aber inzwischen hat sich vieles ereignet. Brüder hat gelernt, eigene Wege zu gehen. Und nun ist er unsicher, ob er noch alles seiner
Mutter erzählen darf. Er möchte vor ihr als Held dastehen. Sie soll ihn loben.
Sie soll sagen: Brüder, du bist doch mein Bester! Wie sie es früher immer getan
hat. Aber das kann sie nicht, wenn sie erfährt, daß er Käptn Kraffs Tiere gestohlen
hat.
Er ist in großer Bedrängnis. So
leicht könnte er seine Mutter glücklich machen! Er möchte es unbeschreiblich
gem. Aber daß sie über ihn den Kopf schüttelt, will er nicht. Verzweifelt
marschiert er neben ihr her.
„Es ist nur gut“, sagt Herr
Günther am Abendbrottisch, „daß Peng seine Schwester Moppi hat!“
„ Warum, Vati?“ fragt Brüder
mißtrauisch.
„Weil Moppi ihm beisteht“,
antwortet Guggi mit ihrer schnellen Zunge.
„Ph! Ein Mädchen kann doch
einem Jungen nicht beistehen!“ meint Brüder verächtlich.
Der Vater sieht ihn
mißbilligend an. „Glaubst du etwa, Jungen könnten alles allein machen? Das kann
keiner. Wir sind alle aufeinander angewiesen!“
So? Das bezweifelt Brüder aber
sehr. Bei seiner Jägerei hat ihm jedenfalls keiner beigestanden. Und er braucht
auch keinen. Er hat die Tiere allein zur Annabodätsch gebracht und... Aber
verflixt! Beinahe hätte er sich verplappert. Nein, morgen wird er die Tiere
zurückholen, und dann ist er die Hauptperson in der Familie. Er! Und nicht etwa
seine Schwestern! Er allein weiß, wo ein Häuschen zu haben ist! Und bis morgen
wird ihn bestimmt keiner nach den Tieren fragen...
Als er so weit in seinen
Gedanken gekommen ist, klingelt es. Brüder zuckt zusammen. Er hat gerade einen besonders großen Happen von seinem Brot abgebissen
und verschluckt sich daran. Er hustet zum Gotterbarmen. Die Tränen kommen ihm
in die Augen.
„Was hast du denn?“ fragt der
Vater. „Du bist ja so schreckhaft!“
Guggi öffnet die Korridortür.
Draußen steht Peng. „Einen schönen Gruß von meinem Vater“, sagt er grinsend,
„und er braucht euren Anzug nicht mehr!“
Guggi nimmt ihm den Hellgrauen
ab. „Hat er dich verhauen?“ fragt sie leise.
„Nö“, antwortet Peng in einem
Ton, als hätte er das noch nie erlebt. „Die Leute haben schon einen Teil ihrer
Sachen wiedergefunden. Das Kindermädchen hatte sie. Alles ist aber noch nicht
da!“
„So ‘ne Gemeinheit, gleich
andere zu verdächtigen!“ empört sich Guggi.
„Och, laß man“, sagt Peng
ungerührt, „denen hab’ ich ‘n toten Vogel in den Briefkasten geschmissen. Da
waren schon Würmer dran.“ Er grinst, daß die Sommersprossen in seinem Gesicht
ihre Form verlieren. „Und die Roten Eulen gehen auch nie mehr für die Frau
einkaufen!“
Peng spricht den Namen der ,Roten Eulen’ etwas lauter aus als alles übrige. Dieser
Name ist ein Lasso, das er in Günthers Eßzimmer sausen läßt. Genau, wie er
erwartet hat, rückt drinnen prompt jemand mit dem Stuhl. Das Lasso sitzt.
Von den achtzig Jungen, die im
Neubaublock in der Gellertstraße oder in der
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