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Schwesternkuss - Roman

Schwesternkuss - Roman

Titel: Schwesternkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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noch nicht lange her, da standest du vor deinem Bürogebäude und hast geschrien. Auch da habe ich dich gesehen. Du brauchst Hilfe. Ich werde dir helfen. Mein Name ist Fiorella.«
    Bennie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte Alice nicht erschießen, wenn die alte Dame daneben stand. Noch immer schüttelte sie den Kopf, Tränen flossen über ihre Wangen. Sie dachte an ihre Mutter. Sie spürte ihre Nähe.
    »Benedetta, sieh mich an. In dir ist so viel Gutes. Ich weiß es. Tu es nicht. Sieh mich an.«
    Bennie konnte ihr nicht in die Augen blicken. Verrückt. Eine verrückte Alte sagte ihr verrücktes Zeug, und sie glaubte, ihre Mutter zu hören oder sich selbst. Vielleicht war es ein Traum oder Zauberei – oder es waren doch die verdammten Tabletten. Aber das war jetzt egal.
    »Benedetta, sieh mich an.«
    »Nein.« Dafür war es zu spät. Sie fühlte sich schon auf der anderen Seite, von der es keine Rückkehr gab. »Ich bin kein guter Mensch. Nicht mehr.«
    »Doch, das bist du.« Die Frau umfasste nun Bennies Gesicht mit den Händen und drehte es zu ihrem. »Ich sehe dich.«
    Bennie verlor die Kontrolle. Sie seufzte laut, lange, schwer und tief. Bis alle Klagelaute erstarben. Es war wie ein Zusammenbruch, aber er war befreiend. Für ihre Gefühle und für ihre Seele. Sie hatte ihren Widerstand aufgegeben, hatte kapituliert vor der verrückten Alten, vor ihrer Mutter und vor sich selbst.
    »Ich sehe dich, Benedetta. Erkenne dich in meinem Gesicht. Ich betrachte dich wie eine Mutter. Siehst du die Güte und die Liebe um uns herum?«
    Die alte Frau lächelte ihr zu, voller Liebe. Bennie konnte nicht anders – versank in ihren Armen.
    Polizeisirenen brachten sie in die Wirklichkeit zurück – und Alice kletterte gerade auf eine Mauer, um zu fliehen.
    »Nein!«, schrie Bennie. Doch ihre Pistole war nicht mehr da. Fiorella packte sie fest am Arm.
    »Lass sie gehen. Sie ist bereits tot.«
    Bennie spürte die Wahrheit in Fiorellas Worten. Sie wusste, dass sie wieder sie selbst war. Sie wusste, dass sie die Rückkehr von der anderen, der dunklen Seite geschafft hatte. Das kleine Mädchen, das ihre Mutter ihr ganzes Leben geliebt hatte, war auferstanden.
    Sie war wieder Benedetta Rosato.
    Als sie zur Mauer hochblickte, war Alice verschwunden.
    127
    Der Stuhl, auf dem Bennie saß, war hart. Er stand in einem Verhörzimmer, dem dritten in ein paar Tagen. Sie hatte die Nacht in einer muffigen Zelle verbracht, doch die Polizei von Nassau hatte ihr zum Frühstück Eier und zu Mittag gebratenen Fisch serviert. Außerdem war der Verband an ihrer Hand erneuert worden. Trotz des Gefängnisaufenthalts fühlte sie sich wie neugeboren, was vermutlich auch daran lag, dass sie diese schrecklichen Tabletten nicht mehr schluckte.
    Es war Dienstagnachmittag, und sie wartete auf ihre formelle Freilassung durch die Polizei. Ihr Blick wanderte von den minzgrün gestrichenen Wänden über die durchgesessenen Stühle zu dem Metalltisch, auf dem sich leere Vordrucke, alte Zeitungen und ein Nassauer Adressbuch von 2007 stapelten. Die Fenster waren vergittert. Dennoch konnte sie erkennen, dass es ein schöner Tag war. Die tropische Sonne schien auf die Fensterbank, auf der ein uraltes Stempelkissen zur Abnahme von Fingerabdrücken stand.
    Sie hatte der Polizei stundenlang Rede und Antwort gestanden. Denn nach dem Gesetz der Bahamas darf ein Verhör achtundvierzig Stunden, im Extremfall sogar bis zu sechsundneunzig Stunden dauern. Aber das war nicht nötig gewesen. Das amerikanische Konsulat in Nassau hatte ihr einen Anwalt besorgt, der sie für ihren Kooperationswillen mit den örtlichen Behörden lobte.
    Sie überzeugte die Beamten davon, dass sie aus Notwehr auf den bulligen Mann geschossen hatte, zumal es Augenzeugen gab, die den Angriff auf sie beobachtet hatten. Die Suche nach dem nur angeschossenen Mann in Arztpraxen und Krankenhäusern war ergebnislos geblieben. Und ohne Anzeige des Geschädigten konnte man Bennie nach dem Inselgesetz nicht belangen. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes und illegalen Grenzübertritts warteten Geldstrafen auf sie. Ihr Vermögen war inzwischen zur USA Bank zurücktransferiert worden. Die Polizei suchte Alice auf allen Inseln der Bahamas, doch Bennie war sich sicher, dass sie sie nie finden würden.
    Sie ist bereits tot.
    Die Tür des Verhörzimmers ging auf, und ein Polizist mit einem weißen Tropenhelm steckte den Kopf herein. Er trug die elegante schwarz-rote Uniform der Königlichen Polizei des

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