Schwesternkuss - Roman
Q hat überall Freunde, und einer davon arbeitet im Colonial Inn.«
Ruckartig umklammerte der Mann ihre linke Schulter, zog ein Jagdmesser aus der Tasche und setzte es ihr hart auf die Brust.
Bennie stockte der Atem.
»Q lässt dir ausrichten: Du bekommst, was du verdienst.«
122
Die West Bay Street war eine kurvenreiche Straße, die an der Küste entlangführte. Der Mond stand tief. Sein Schimmer spiegelte sich im Meer. Sie hatten Knox’ Leiche auf einen stillgelegten Bauplatz geworfen. Julie hatte sich beruhigt. Sie weinte nicht mehr. Sie sah zum Fenster hinaus.
»Julie, wir stecken da beide drin«, sagte Alice nach hinten gewandt. »Arbeite mit mir zusammen. Umso schneller bist du mich los, verstanden?«
»Verstanden.«
»Sind wir bald da?«
»Ja.«
»Wo kann ich parken?« Alice gab Gas, als sie die Lichter von Nassau auf sich zukommen sah.
»Es gibt einen kleinen Parkplatz hinter der Bank. Ich zeige ihn dir.«
»Parken dort die Angestellten?«
»Nein. Wir parken auf der Shirley Street, etwas weiter weg. Der kleine ist für den Lieferverkehr.«
»Du bist ein gutes Mädchen. Mach ja keinen Unsinn. Das Schlimmste haben wir nämlich hinter uns. Was jetzt noch kommt, ist Pippifax.«
»Ja.«
»Wird die Bank bewacht?«
»Ein Wachmann patrouilliert im Gebäude. Entweder Jonah oder Floyd. Ich habe vergessen, wer heute Dienst hat.«
»Ist er bewaffnet?«
»Ja.«
»Wird er mit zu deinem Büro gehen?«
»Nein. Ich gehe allein.«
»Ich begleite dich, verstanden? Gibt es Metalldetektoren?«
»Nein. Ich arbeite so lange bei der Bank, ich muss mich nicht mehr ausweisen. Ich werde dich unter einem erfundenen Namen als meinen Gast eintragen. Mein Büro ist im zweiten Stock.«
Alice fuhr am Sheraton und am Hilton vorbei. Es war wenig Verkehr. Nirgends war ein Polizist zu sehen. Die Straßen waren leer. Nur ein paar verliebte Pärchen spazierten eng umschlungen durch die Nacht. Sie bog in die Bay Street ein mit ihren Parfum- und Schmuckboutiquen, ihren T-Shirt- und Geschenkeläden. Dort gab es auch ein paar Banken. »Welche ist die BSB ?«, fragte Alice.
»Links neben dem Schmuckladen.«
Die eigenartigen Säulen vor dem Eingang fielen Alice als Erstes auf. Im Gebäude brannte Licht. Luftballons waren im Inneren an den vielen Schaltern befestigt, als feierte man eine riesige Geldparty.
Alice fuhr auf den kleinen Parkplatz.
123
Bennie schrie. Der Mann hielt ihr den Mund zu und drückte sie gegen die Wand.
Sie trat ihm zwischen die Beine. Mit einem schmerzerfüllten Ächzen ließ seine Hand ab von ihrem Mund, das Messer klirrte auf das Pflaster, verletzte sie aber vorher noch an der Schulter.
Bennie schrie wieder. Der Mann versetzte ihr einen Schlag ins Gesicht, der sie kurz Sterne sehen ließ. Sie torkelte rückwärts, die Handtasche fiel auf den Asphalt.
»Deine Stunden sind gezählt, du Miststück!«, knurrte der Mann.
Bennie ging zu Boden, direkt neben ihrer Handtasche. Da fiel ihr etwas ein. Blitzschnell griff sie sich die Tasche, und mit zitternden Fingern tastete sie in ihr herum, bis sie die Pistole gefunden hatte. Es gelang ihr, sie blind zu entsichern, und sie schoss direkt durchs Leder.
Die Handtasche explodierte wie eine Bombe. Schmerz jagte durch Bennies Hand, doch sie rappelte sich so rasch wie möglich wieder auf.
Der Mann hielt sich den rechten Oberschenkel, aus dem Blut floss. Wild fluchend suchte er nach seinem Messer, das etwas außer Reichweite lag.
»Hilfe!«, schrie jemand hinter Bennie. »Der Typ da hat es auf die Frau abgesehen.«
Ein älterer Herr eilte herbei, er wollte Bennie helfen. Doch die hastete los, als wäre sie auf der Flucht.
»Miss, stopp!«, rief er. »Bleiben Sie stehen!«
Doch die rannte schon die Straße hinunter, dann die nächste, ohne zu wissen, wo sie war. Stehen bleiben war ihr zu gefährlich. Der Fahrer eines Minivan riss in letzter Sekunde das Steuer herum, sonst hätte er sie überfahren. Sie lief ohne nach links oder rechts zu sehen. Auch das grelle Hupen eines Taxis ignorierte sie und zwang den Fahrer damit zu einer Vollbremsung.
Wie von einem unsichtbaren Band gezogen, landete sie schließlich schweratmend auf der Bay Street – und damit vor der BSB Bank.
124
Alice parkte hinter der BSB Bank und stieg mit der Kuriertasche, in der sich die Pistole befand, aus der Limousine. Sie öffnete gerade für Julie die hintere Wagentür, als sie Schreie hörte. Sie drehte sich um. Ein Mann wies mit dem Finger auf sie.
»Das ist sie!«, schrie er. »Sie
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