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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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festen Boden unter den Füßen. Eine Hand packte sie am Arm, gab ihr Halt. Es war Pater Brophy, der unmittelbar hinter ihr stand. Sie hatte ihn gar nicht bemerkt.
    Jetzt begriff sie, warum alle so fassungslos auf ihren Anblick reagiert hatten. Sie starrte die Leiche auf dem Fahrersitz an, das Gesicht im hellen Schein von Rizzolis Taschenlampe.
    Das bin ich. Diese Frau da bin ich.

2
    Sie saß auf der Couch und nahm einen Schluck von ihrem Wodka mit Soda. Die Eiswürfel klirrten im Glas. Zum Teufel mit klarem Wasser – dieser Schock verlangte nach einer härteren Medizin, und Pater Brophy war so verständnisvoll gewesen, ihr einen kräftigen Drink zu mixen und ihr das Glas kommentarlos in die Hand zu drücken. Es kommt schließlich nicht jeden Tag vor, dass man sich selbst als Leiche sieht. Dass man zu einem Tatort kommt und ohne Vorwarnung mit seinem leblosen Doppelgänger konfrontiert wird.
    »Es ist nur ein Zufall«, flüsterte sie. »Die Frau gleicht mir eben, das ist alles. Viele Frauen haben schwarze Haare. Und ihr Gesicht – in dem Auto da draußen kann man ihr Gesicht doch gar nicht richtig erkennen.«
    »Ich weiß nicht, Doc«, sagte Rizzoli. »Die Ähnlichkeit ist ziemlich erschreckend.« Sie ließ sich in den Sessel sinken und seufzte, als ihr hochschwangerer Leib in den weichen Kissen versank.
    Arme Rizzoli, dachte Maura. Frauen im achten Monat sollten sich nicht mit Mordermittlungen herumschlagen müssen.
    »Ihre Frisur ist anders«, sagte Maura.
    »Die Haare sind ein bisschen länger, das ist alles.«
    »Ich habe einen Pony. Die Frau nicht.«
    »Finden Sie nicht, dass das ein ziemlich oberflächliches Detail ist? Sehen Sie sich doch ihr Gesicht an. Sie könnte Ihre Schwester sein.«
    »Warten wir doch ab, bis wir sie bei besserem Licht sehen können. Vielleicht gleicht sie mir dann gar nicht mehr.«
    »Die Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen«, warf Pater Brophy ein. »Wir haben es alle gesehen. Sie gleicht Ihnen aufs Haar.«
»Und dazu kommt, dass sie in einem Wagen sitzt, der in Ihrer Straße geparkt ist«, fügte Rizzoli hinzu. »Praktisch vor Ihrer Haustür. Und das hier hatte sie auf dem Rücksitz.« Rizzoli hielt einen transparenten Plastikbeutel hoch. Maura konnte sehen, dass er einen Artikel aus dem Boston Globe enthielt. Die Schlagzeile war so groß, dass sie sie auch über den Couchtisch hinweg lesen konnte.
    GERICHTSMEDIZINERIN:
RAWLINS-BABY
WURDE MISSHANDELT
    »Das ist ein Foto von Ihnen , Doc«, sagte Rizzoli. »Die Bildunterschrift lautet: ›Pathologin Dr. Maura Isles beim Verlassen des Gerichtssaals nach ihrer Aussage im Rawlins-Prozess.« Sie sah Maura in die Augen. »Das Opfer hatte diesen Zeitungsausschnitt bei sich im Wagen.«
    Maura schüttelte den Kopf. »Aber warum?«
    »Das fragen wir uns auch.«
    »Der Rawlins-Prozess – das war vor fast zwei Wochen.«
    »Erinnern Sie sich daran, diese Frau im Gerichtssaal gesehen zu haben?«
    »Nein. Ich habe sie noch nie im Leben gesehen.«
    »Aber offenbar hat die Frau Sie gesehen. Zumindest in der Zeitung. Und dann taucht sie hier auf. Wollte sie mit Ihnen sprechen? Ihnen auflauern?«
    Maura starrte auf ihr Glas. Der Wodka stieg ihr schon zu Kopf. Es ist noch keine vierundzwanzig Stunden her, dachte sie, da bin ich durch die Straßen von Paris spaziert. Habe den Sonnenschein genossen, die köstlichen Düfte aus den Straßencafés. Wie habe ich es geschafft, in so kurzer Zeit in diesen Albtraum hineinzuschlittern?
    »Haben Sie eine Schusswaffe im Haus, Doc?«, fragte Rizzoli.
    Mauras Miene verhärtete sich, sie straffte die Muskeln. »Was soll diese Frage?«

    »Aber nein, ich will Sie doch gar nicht beschuldigen. Ich habe mich bloß gefragt, ob Sie eine Möglichkeit haben, sich zu verteidigen.«
    »Ich besitze keine Waffe. Ich habe oft genug gesehen, was die Dinger mit einem menschlichen Körper anrichten können. So was kommt mir nicht ins Haus.«
    »Okay. War ja nur eine Frage.«
    Maura nahm noch einen Schluck von ihrem Wodka. Sie brauchte die flüssige Stärkung, ehe sie die nächste Frage stellte: »Was wissen Sie über das Opfer?«
    Frost nahm sein Notizbuch zur Hand und blätterte es durch wie ein penibler Beamter. So vieles an Barry Frost erinnerte Maura an einen sanftmütigen Bürokraten, jederzeit bereit, den Bleistift zu zücken und sich eine Notiz zu machen. »Laut Führerschein, den wir in ihrer Handtasche gefunden haben, heißt sie Anna Jessop, ist vierzig Jahre alt und wohnt in Brighton. Der Wagen ist auch auf den Namen Jessop

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