Schwesternmord
Bestie. Das ist seine Fährte dort auf der Karte. Ich bin überzeugt, dass Amalthea ihn auf Schritt und Tritt begleitet hat.«
»Was verlangen Sie von mir – soll ich ein psychologisches Profil erstellen? Erklären, warum sie gemordet haben?«
»Wir wissen, warum sie es getan haben. Sie haben nicht zum Vergnügen getötet oder wegen des Kicks. Es handelt sich nicht um typische Serienmörder.«
»Was war dann ihr Motiv?«
»Ganz banal, Dr. O’Donnell. Für eine Monsterjägerin wie Sie muss ihr Motiv furchtbar langweilig sein.«
»Ich finde Mord keineswegs langweilig. Warum haben sie Ihrer Meinung nach getötet?«
»Wussten Sie, dass es von den beiden keinerlei Beschäftigungsnachweise gibt? Weder in Amaltheas noch in Elijahs Fall haben wir irgendwelche Hinweise darauf finden können, dass sie irgendwann über längere Zeit irgendwo beschäftigt waren, in die Sozialversicherung eingezahlt oder eine Steuererklärung abgegeben haben. Sie besaßen keine Kreditkarten, hatten keine Bankkonten. Über Jahrzehnte waren sie quasi unsichtbar; sie lebten am äußersten Rand der Gesellschaft. Also, wie haben sie ihren Lebensunterhalt bestritten? Wie haben sie das Geld für Essen, Benzin und Miete aufgebracht?«
»Sie haben alles bar bezahlt, nehme ich an.«
»Aber wo kam das Bargeld her?« Rizzoli deutete auf die Landkarte. »Ihren Lebensunterhalt haben sie damit bestritten.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Der eine fängt Fische, der andere pflückt Äpfel. Auch Amalthea und ihr Partner haben geerntet, ohne zu säen.« Sie fixierte O’Donnell. »Vor vierzig Jahren hat Amalthea zwei neugeborene Mädchen, angeblich ihre Töchter, an Adoptiveltern verkauft. Sie bekam für die beiden Babys vierzigtausend Dollar. Ich glaube nicht, dass sie berechtigt war, die Kinder wegzugeben.«
O’Donnell runzelte die Stirn. »Sprechen Sie von Dr. Isles und ihrer Schwester?«
»Ja.« Rizzoli verspürte eine klammheimliche Befriedigung, als sie O’Donnells verblüfften Gesichtsausdruck sah. Diese Frau hatte keine Ahnung, womit sie es zu tun hatte, dachte Rizzoli. Die Psychiaterin, die so regelmäßig mit Monstern verkehrt – damit hätte sie nicht gerechnet.
»Ich habe Amalthea untersucht«, sagte O’Donnell. »Ich war mit Fachkollegen einer Meinung, dass …«
»… sie an einer Psychose litt?«
»Ja.« O’Donnell atmete hörbar aus. »Was Sie mir hier zeigen – das ist ein völlig anderer Mensch.«
»Keine Geisteskranke.«
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was sie ist.«
»Sie und ihr Cousin haben für Geld gemordet. Für harte Dollars. Das klingt mir ganz und gar nicht nach Geisteskrankheit.«
»Möglich …«
»Sie kommen doch gut zurecht mit Mördern, Dr. O’Donnell. Sie reden mit ihnen, Sie verbringen Stunden mit Leuten wie Warren Hoyt.« Rizzoli machte eine Pause. »Sie verstehen sie.«
»Ich versuche es.«
»Also, was für eine Art Mörderin ist Amalthea? Ist sie ein Monster? Oder einfach nur eine skrupellose Geschäftsfrau?«
»Sie ist meine Patientin. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«
»Aber Sie stellen Ihre eigene Diagnose inzwischen in Frage, nicht wahr?« Rizzoli deutete auf die Leinwand. » Das ist logisches Handeln, was Sie da sehen. Nomadische Jäger, die ihrer Beute folgen. Glauben Sie immer noch, dass sie verrückt ist?«
»Ich wiederhole, sie ist meine Patientin. Ich muss ihre Interessen schützen.«
»Amalthea interessiert uns nicht. Wir sind hinter dem anderen her. Hinter Elijah.« Rizzoli trat näher an O’Donnell heran, bis sie sich fast Auge in Auge gegenüberstanden. »Er ist nämlich immer noch auf der Jagd.«
»Was?«
»Amalthea ist jetzt seit fast fünf Jahren in Haft.« Rizzoli sah Frost an. »Zeig ihr die Datenpunkte seit Amalthea Lanks Verhaftung.«
Frost nahm die drei Folien weg und ersetzte sie durch eine neue. »Der Monat Januar«, sagte er. »Eine schwangere
Frau verschwindet in South Carolina. Im Februar ist es eine Frau in Georgia. Im März eine in Daytona Beach.« Er legte eine weitere Folie auf. »Sechs Monate später passiert es in Texas.«
»Amalthea Lank war während dieser ganzen Zeit im Gefängnis«, sagte Rizzoli. »Aber die Entführungen nahmen kein Ende. Die Bestie hat weiter gewütet.«
O’Donnell starrte auf die gnadenlos vorrückenden Datenpunkte. Jeder Punkt eine Frau. Ein Menschenleben. »Wo stehen wir gerade in dem Zyklus?«, fragte sie leise.
»Vor einem Jahr«, antwortete Frost, »hat er Kalifornien erreicht und ist von dort nach Norden
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