Schwesternmord
gegraben hatte. Er warf sie hinein, deckte die Grube mit Brettern ab und schichtete Steine obenauf. Als man ihn später dazu befragte, sagte er, das Ganze sei nur ein dummer Streich gewesen. Aber ich glaube, dass er ernsthaft vorhatte, sie zu töten.«
»Laut diesem Bericht hat das Mädchen den Vorfall unbeschadet überstanden.«
»Unbeschadet? Das stimmt ja wohl nicht ganz.«
O’Donnell blickte auf. »Aber sie hat es überlebt.«
»Für die nächsten fünf Jahre bestand Alice Roses Leben hauptsächlich aus Therapien wegen ihrer schweren Depressionen und Angstattacken. Mit neunzehn stieg sie dann in die Badewanne und öffnete sich die Pulsadern. Wenn Sie mich fragen, ist Elijah Lank für ihren Tod verantwortlich. Sie war sein erstes Opfer.«
»Können Sie beweisen, dass es noch andere gab?«
»Vor fünfundvierzig Jahren verschwand ein Ehepaar aus Kennebunkport, Karen und Robert Sadler. Karen Sadler war damals im achten Monat schwanger. Ihre sterblichen Überreste und die ihres Mannes wurden vorige Woche in ebenjenem Waldstück gefunden, in dem Elijah Lank damals Alice Rose lebendig begraben hatte. Ich glaube, dass die Sadlers auf Elijahs Konto gehen. Auf seines und Amaltheas.«
O’Donnell hörte sich das alles vollkommen reglos an, es schien, als hielte sie den Atem an.
»Sie haben diesen Gedanken doch als Erste aufgebracht, Dr. O’Donnell«, sagte Lieutenant Marquette. »Sie sagten, Amalthea habe einen Partner gehabt, den sie ›die Bestie‹
nannte. Jemand, der ihr half, Theresa und Nikki Wells zu töten. Das haben Sie doch zu Dr. Isles gesagt, nicht wahr?«
»Niemand sonst hat an meine Theorie geglaubt.«
»Aber jetzt glauben wir daran«, sagte Rizzoli. »Wir glauben, dass die Bestie Amaltheas Cousin Elijah ist.«
O’Donnell zog amüsiert eine Augenbraue hoch. »Cousin und Cousine als Mörderpärchen?«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass Cousins gemeinsam morden«, bemerkte Marquette.
»Das ist wahr«, erwiderte O’Donnell. »Kenneth Bianchi und Angelo Buono – die Hillside-Würger -, das waren Cousins.«
»Es gibt also Präzedenzfälle«, sagte Marquette. »Cousins als Partner im Töten.«
»Das konnten Sie auch ohne mich herausfinden.«
»Sie wussten früher als irgendwer sonst von der Bestie«, sagte Rizzoli. »Sie haben versucht, ihn zu finden; Sie haben versucht, über Amalthea Kontakt mit ihm aufzunehmen.«
»Aber ohne Erfolg. Ich wüsste also nicht, wie ich Ihnen helfen kann, ihn zu finden. Ich weiß auch nicht, warum Sie mich überhaupt herbestellt haben, Detective, da Sie offenbar so wenig von meiner Forschungsarbeit halten.«
»Ich weiß, dass Amalthea mit Ihnen spricht. Als ich sie gestern besucht habe, hat sie kein Wort herausgebracht. Aber von den Aufseherinnen weiß ich, dass sie mit Ihnen spricht.«
»Unsere Therapiesitzungen sind vertraulich. Sie ist meine Patientin.«
»Aber ihr Cousin nicht. Er ist derjenige, hinter dem wir her sind.«
»Wo wurde er denn zuletzt gesehen? Sie müssen doch irgendwelche Informationen haben, auf die Sie sich stützen können.«
»Wir haben so gut wie nichts. Seit Jahrzehnten ist nichts mehr über seinen Aufenthaltsort bekannt.«
»Wissen Sie überhaupt, ob er noch am Leben ist?«
Rizzoli seufzte. Und gab zu: »Nein.«
»Er müsste inzwischen fast siebzig sein, nicht wahr? Ein bisschen arg betagt für einen Serienmörder.«
»Amalthea ist fünfundsechzig«, antwortete Rizzoli. »Und doch hat nie irgendjemand bezweifelt, dass sie Theresa und Nikki Wells ermordet hat. Dass sie ihnen den Schädel eingeschlagen, ihre Leichen mit Benzin übergossen und angezündet hat.«
O’Donnell lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete Rizzoli einen Moment lang schweigend. »Erzählen Sie mir doch mal, wieso das Boston Police Department überhaupt nach Elijah Lank fahndet. Das sind doch alte Mordfälle – und sie haben sich noch nicht einmal in Ihrem Zuständigkeitsbereich ereignet. Welches Interesse haben Sie daran?«
»Es gibt möglicherweise eine Verbindung zu dem Mord an Anna Leoni.«
»Wie das?«
»Kurz bevor sie ermordet wurde, hat Anna auffällig viele Fragen über Amalthea gestellt. Vielleicht hatte sie zu viel herausgefunden.« Rizzoli schob O’Donnell eine weitere Akte zu.
»Was ist das?«
»Kennen Sie das National Crime Information Center des FBI? Dort gibt es eine Datenbank mit vermissten Personen aus dem ganzen Land.«
»Ja, ich habe vom NCIC gehört.«
»Wir haben eine Suchanfrage mit den Stichwörtern weiblich und
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