Schwesternmord
ihn fragend an. »Ist sie …«
Er nickte. »Sie ist im neunten Monat schwanger.«
25
»Wenn Sie mich fragen«, sagte Detective Sarmiento vom Polizeirevier Natick, »haben wir es hier mit einem zweiten Laci-Peterson-Fall zu tun. Ehe im Eimer, Mann hält sich heimlich eine Geliebte.«
»Gibt er zu, dass er eine Freundin hat?«, fragte Rizzoli.
»Noch nicht, aber ich habe ein Gespür für so was, müssen Sie wissen.« Sarmiento tippte sich mit dem Finger an die Nase und lachte. »Ich wittere da eine andere Frau.«
Ja, das glaube ich sofort, dachte Rizzoli, als Sarmiento sie und Frost an Schreibtischen mit flimmernden Computerbildschirmen vorbeiführte. Er sah aus wie ein Mann, der den Duft der Frauen kannte. Er hatte diesen breitbeinigen, selbstbewussten Gang, der verkündete: Hier kommt ein cooler Typ. Sein rechter Arm schwang in einem weiten Bogen, konditioniert durch das jahrelange Tragen einer Waffe am Gürtel, was dem Betrachter zusätzlich verriet, dass dieser coole Typ ein Cop war. Barry Frost hatte sich dieses großspurige Auftreten nie angewöhnt. Neben dem muskelbepackten, dunkelhaarigen Sarmiento wirkte Frost mit seinem Kugelschreiber und seinem Notizbuch wie ein blasser Bürohengst.
»Der Name der Vermissten ist Matilda Purvis«, sagte Sarmiento. Er blieb an seinem Schreibtisch stehen und griff nach einer Akte, die er Rizzoli reichte. »Einunddreißig, weiß, seit sieben Monaten mit Dwayne Purvis verheiratet. Er hat die BMW-Vertretung hier in der Stadt. Hat seine Frau zuletzt am Freitag gesehen, als sie bei ihm in der Firma vorbeischaute. Offenbar hatten sie einen Streit, denn Zeugen sagen aus, dass die Frau das Firmengelände weinend verlassen hat.«
»Und wann hat er sie als vermisst gemeldet?«, fragte Frost.
»Am Sonntag.«
»Er hat zwei volle Tage gebraucht, um sich dazu aufzuraffen?«
»Angeblich wollte er nach dem Streit erst mal abwarten, bis die Dinge sich beruhigt hatten, und ist deshalb in ein Hotel gegangen. Ist erst am Sonntag wieder nach Hause zurückgekehrt. Dort fand er den Wagen seiner Frau in der Garage, die Samstagspost lag noch im Briefkasten. Da schwante ihm, dass irgendwas nicht stimmte. Wir haben seine Anzeige am Sonntagabend aufgenommen. Heute Morgen haben wir dann Ihren Rundruf über das gehäufte Verschwinden schwangerer Frauen gesehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die hier in Ihr Schema passt. Sieht mir eher nach einem klassischen Fall von eskaliertem Ehestreit aus.«
»Haben Sie das Hotel überprüft, in dem er übernachtet hat?«, fragte Rizzoli.
Sarmiento antwortete mit einem Grinsen. »Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, hatte er Probleme, sich zu erinnern, welches Hotel es war.«
Rizzoli schlug die Akte auf und erblickte ein Foto von Matilda Purvis und ihrem Mann, aufgenommen an ihrem Hochzeitstag. Wenn sie erst sieben Monate verheiratet waren, dann war sie zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits im zweiten Monat schwanger gewesen. Die Braut sah reizend aus, mit braunen Locken, braunen Augen und mädchenhaft runden Wangen. Ihr süßes Lächeln spiegelte reines, ungetrübtes Glück. Sie sah aus wie eine Frau, die sich gerade ihren Lebenstraum erfüllt hat. Neben ihr wirkte Dwayne Purvis müde und matt, beinahe gelangweilt. Das Foto hätte die Überschrift tragen können: Ärger vorprogrammiert.
Sarmiento führte sie über einen Flur in einen abgedunkelten Raum. Durch einen venezianischen Spiegel konnten sie in das angrenzende Vernehmungszimmer sehen, in dem sich zu diesem Zeitpunkt niemand aufhielt. Es hatte kahle weiße Wände und enthielt lediglich einen Tisch und drei Stühle; hoch oben in einer Ecke war eine Videokamera montiert.
Ein Raum, der nur einem Zweck diente: die Wahrheit aus einem Verdächtigen herauszuquetschen.
Durch das Fenster sahen sie, wie die Tür aufging und zwei Männer den Raum betraten. Der eine war ein Cop, mit breiter Brust, lichtem Haar und einem ausdruckslosen Gesicht. Die Art von Gesicht, in der man vergeblich nach dem kleinsten Aufflackern einer Gefühlsregung suchte.
»Detective Ligett übernimmt diesmal das Verhör«, murmelte Sarmiento. »Mal sehen, ob wir noch was Neues aus ihm rauskriegen.«
»Nehmen Sie Platz«, hörten sie Ligett sagen. Dwayne setzte sich mit dem Gesicht zum Fenster, das von seiner Seite aus betrachtet lediglich ein Spiegel war. War ihm bewusst, dass mehrere Augenpaare ihn durch diese Glasscheibe beobachteten? Für einen Augenblick schien es, als schaue er Rizzoli direkt in die Augen. Sie
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