Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
das Muster nicht mehr zu übersehen. Ungläubig starrte O’Donnell die Karte an.
    »Mein Gott«, sagte sie. »Der Cluster wandert immer weiter.«
    Rizzoli nickte und fixierte mit grimmiger Miene die Leinwand. »Von Oregon rückt er nach Nordosten vor. In den nächsten sechs Monaten verschwinden zwei schwangere Frauen im Staat Washington, und dann eine dritte zwei Staaten weiter in Montana.« Sie wandte sich zu O’Donnell um. »Aber da ist noch lange nicht Schluss.«
    O’Donnell rutschte auf ihrem Stuhl vor, angespannt wie eine Katze vor dem Sprung. »Wohin wandert der Cluster als Nächstes?«
    Rizzoli sah wieder auf die Karte. »Im Sommer und Herbst dieses Jahres bewegt er sich in gerader Linie über Illinois und Michigan nach New York und Massachusetts. Dann macht er einen abrupten Schwenk nach Süden.«
    »In welchem Monat?«
    Rizzoli sah Frost an, der daraufhin die ausgedruckten Seiten durchblätterte. »Der nächste Fall ereignet sich in Virginia, am vierzehnten Dezember«, sagte er.
    »Die Route folgt dem Wetter«, sagte O’Donnell.
    Rizzoli sah sie erstaunt an. »Was?«
    »Dem Wetter. Sehen Sie nicht, wie der Cluster sich in den Sommermonaten quer durch den oberen Mittelwesten zieht? Im Herbst erreicht er Neuengland. Und im Dezember zieht er dann plötzlich nach Süden. Genau zu der Zeit, als es kalt wird.«

    Rizzoli betrachtete stirnrunzelnd die Karte. Mein Gott, dachte sie. Die Frau hat Recht. Warum haben wir das nicht gesehen?
    »Was passiert dann?«, fragte O’Donnell.
    »Der Cluster bewegt sich einmal ganz im Kreis«, antwortete Frost. »Zieht durch den Süden, von Florida nach Texas, um am Ende wieder in Arizona zu landen.«
    O’Donnell stand auf und ging zur Leinwand. Dort blieb sie eine Weile stehen und betrachtete die Karte. »Wie war noch mal der Zeitablauf? Wie lange dauerte es, bis der Kreis sich geschlossen hatte?«
    »In diesem Fall dauerte die Rundreise durch das ganze Land dreieinhalb Jahre«, sagte Rizzoli.
    »Ein eher gemächliches Tempo.«
    »Schon. Aber Sie sehen, dass die Täter nie sehr lange in einer bestimmten Region bleiben. Nie gibt es in ein und derselben Gegend allzu viele Opfer auf einmal. Sie ziehen immer weiter, und so bleibt das Muster lange unbemerkt; niemand kommt dahinter, dass das schon seit vielen Jahren so geht.«
    »Was?« O’Donnell drehte sich zu ihr um. »Der Zyklus wiederholt sich?«
    Rizzoli nickte. »Es fängt wieder ganz von vorne an und folgt der gleichen Route. So ähnlich, wie die Nomadenvölker früher den Büffelherden gefolgt sind.«
    »Und den Behörden ist das Muster nie aufgefallen?«
    »Nein, weil diese Menschenjäger ständig in Bewegung waren. Immer unterwegs, von Staat zu Staat, von einem Distrikt zum nächsten. Ein paar Monate in einer bestimmten Gegend, dann zogen sie schon wieder weiter. Zu den nächsten Jagdgründen. An bestimmten Orten tauchen sie immer wieder auf.«
    »Vertrautes Gelände.«
    » Wohin wir gehen, hängt davon ab, was wir wissen. Und was wir wissen, hängt davon ab, wohin wir gehen «, zitierte Rizzoli einen der Grundsätze der geografischen Täterprofilerstellung.

    »Sind jemals Leichen gefunden worden?«
    »Nein, in keinem einzigen dieser Fälle. Sie sind alle bis heute ungelöst.«
    »Sie müssen also ihre Verstecke haben, wo sie die Leichen vergraben. Wo sie sie unbemerkt verschwinden lassen können.«
    »Wir nehmen an, dass es sich dabei um sehr abgelegene Orte handelt«, sagte Frost. »Ländliche Gegenden, oder auch Gewässer. Denn keine dieser Frauen ist je wieder aufgetaucht.«
    »Aber Nikki und Theresa Wells wurden gefunden«, sagte O’Donnell. »Ihre Leichen wurden nicht vergraben, sie wurden verbrannt.«
    »Die Schwestern wurden am fünfundzwanzigsten November gefunden. Wir haben die Wetterdaten für den betreffenden Zeitraum recherchiert. In dieser Woche gab es einen unerwarteten Schneesturm – an einem einzigen Tag fielen fast fünfzig Zentimeter. Massachusetts wurde davon völlig überrascht, und mehrere Straßen mussten gesperrt werden. Vielleicht konnten sie nicht zu ihrem gewohnten Begräbnisplatz gelangen.«
    »Und deshalb haben sie die Leichen verbrannt?«
    »Wie Sie ja schon festgestellt haben, scheinen die Fälle dem Wetter zu folgen«, sagte Rizzoli. »Wenn es kalt wird, treten sie plötzlich verstärkt im Süden auf. Aber in diesem November wurde Neuengland vom Wintereinbruch überrascht. Niemand hatte so früh im Jahr mit Schnee gerechnet.« Sie wandte sich zu O’Donnell um. »Da haben Sie Ihre

Weitere Kostenlose Bücher