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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Geräusch gehört. Ich bin in die Garage gegangen. Ich habe ein Geräusch gehört, bin in die Garage gegangen und …
    Nichts. Danach konnte sie sich an nichts mehr erinnern.
    Sie schlug die Augen auf. Es war immer noch dunkel.
Oh, das ist schlimm, Mattie, dachte sie; das ist sehr, sehr schlimm. Dein Kopf tut weh, du hast dein Gedächtnis verloren, und du bist blind.
    »Dwayne?«, rief sie. Sie hörte nichts als das Rauschen ihres eigenen Pulses.
    Sie musste aufstehen. Sie musste Hilfe holen, musste wenigstens ein Telefon finden.
    Sie wälzte sich auf die rechte Seite, um sich aufzurichten, und krachte mit dem Gesicht gegen eine Wand. Die Wucht des Aufpralls warf sie gleich wieder auf den Rücken. Benommen lag sie da, ihre Nase pochte schmerzhaft. Was hatte denn eine Wand hier zu suchen? Sie streckte die Hand aus und fühlte noch mehr raue Bretter. Okay, dachte sie, dann drehe ich mich halt in die andere Richtung. Sie wälzte sich nach links.
    Und stieß wieder gegen eine Wand.
    Ihr Herz hämmerte lauter, schneller. Wieder lag sie auf dem Rücken, dachte: Wände auf beiden Seiten. Das kann nicht sein. Das ist doch nicht wahr. Sie stemmte sich mit beiden Armen hoch, setzte sich auf – und stieß oben mit dem Kopf an. Fiel erneut kraftlos auf den Rücken.
    Nein, nein, nein!
    Panik ergriff sie. Wild ruderte sie mit den Armen, stieß überall gegen Hindernisse. Sie krallte sich an das Holz, Splitter bohrten sich in ihre Finger. Sie hörte Schreie, doch sie erkannte ihre eigene Stimme nicht. Überall Wände. Sie bäumte sich auf, schlug um sich, hämmerte blind mit den Fäusten drauflos, bis ihre Hände zerkratzt und zerschrammt waren und sie sich vor Erschöpfung nicht mehr rühren konnte. Die Schreie gingen allmählich in Schluchzer über. Und dann in geschocktes Schweigen.
    Eine Kiste. Ich bin in einer Kiste gefangen.
    Sie atmete tief durch, und der Geruch ihres eigenen Schweißes, ihrer eigenen Angst, stieg ihr in die Nase. Sie spürte, wie das Baby in ihrem Bauch zappelte; noch ein kleiner Gefangener, eingesperrt in einem engen Verlies. Sie
dachte an die russischen Puppen, die ihre Großmutter ihr einmal geschenkt hatte. Eine Puppe in einer Puppe in einer Puppe.
    Wir werden hier sterben. Wir werden beide sterben, mein Baby und ich.
    Sie schloss die Augen und kämpfte gegen eine neue Panikwelle an. Schluss jetzt. Schluss damit, und zwar sofort. Denk nach, Mattie.
    Sie streckte eine zitternde Hand nach rechts aus, ertastete eine Wand. Streckte die andere Hand nach links aus, ertastete die zweite Wand. Wie weit waren sie auseinander? Allenfalls einen Meter. Und wie lang war die Kiste? Sie griff hinter ihren Kopf und stellte fest, dass da noch etwa dreißig Zentimeter Luft waren. In der Richtung sieht’s nicht ganz so schlimm aus. Da ist noch ein bisschen Platz. Ihre Finger streiften etwas Weiches, unmittelbar neben ihrem Kopf. Sie zog es näher und stellte fest, dass es eine Decke war. Als sie sie aufrollte, fiel etwas Schweres heraus und rollte über die Bohlen. Ein kalter Metallzylinder. Wieder pochte ihr Herz wie wild, aber diesmal war es nicht Panik, sondern Hoffnung, die sich in ihr regte.
    Eine Taschenlampe.
    Sie fand den Schalter und drückte darauf. Stieß einen erleichterten Seufzer aus, als ein Lichtstrahl die Finsternis durchschnitt. Ich kann sehen, ich kann sehen! Der Strahl glitt über die Wände ihres Gefängnisses. Mattie richtete ihn auf die Decke. Sie war so niedrig, dass sie sich gerade eben aufsetzen konnte, und das auch nur, wenn sie den Kopf einzog.
    Mit ihrem dicken Bauch war sie schwerfällig und unbeholfen, und sie musste sich mühsam drehen und winden, bis sie sich endlich in eine sitzende Position manövriert hatte. Jetzt erst konnte sie sehen, was sich zu ihren Füßen befand: ein Plastikeimer und eine Bettpfanne. Zwei große Krüge voll Wasser. Eine Einkaufstüte. Sie rutschte näher an die Tüte heran und schaute hinein. Deswegen habe ich also Schokolade
gerochen. Die Tüte war gefüllt mit Schokoriegeln, abgepacktem getrocknetem Rindfleisch und Salzkräckern. Und Batterien – drei Packungen Batterien zum Wechseln.
    Sie ließ sich gegen die Wand sinken. Hörte sich plötzlich lachen. Ein irres, erschreckendes Lachen, das gar nicht von ihr zu kommen schien. Das Lachen einer Wahnsinnigen. Na, das ist ja super. Ich habe alles, was ich zum Überleben brauche, außer …
    Luft.
    Ihr Lachen erstarb. Sie saß reglos da und lauschte auf das Geräusch ihres eigenen Atems. Sauerstoff rein,

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