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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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schwerlich ausweichen konnte; ein Blick, der ihr signalisierte, dass sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit besaß.
    »Also. Sie sind gekommen, um etwas über Anna zu erfahren.«
    »Ja. Detective Rizzoli sagte mir, dass Sie sie gekannt haben. Dass Sie versucht haben, sie zu schützen.«

    »Den Job habe ich mehr schlecht als recht erledigt«, sagte er leise. Sie sah den gequälten Ausdruck in seinen Augen, ehe er den Blick auf den Ordner auf dem Couchtisch senkte. Er griff nach der Akte und reichte sie ihr. »Es ist kein sehr schöner Anblick. Aber Sie haben ein Recht, es zu sehen.«
    Sie schlug den Ordner auf und starrte auf ein Foto von Anna Leoni, aufgenommen vor einer kahlen weißen Wand. Sie trug einen Krankenhauskittel aus Papier. Ein Auge war fast ganz zugeschwollen, und auf der Wange war ein lilafarbener Bluterguss zu sehen. Ihr unversehrtes Auge blickte geschockt in die Kamera.
    »So hat sie ausgesehen, als ich ihr das erste Mal begegnet bin«, sagte er. »Dieses Foto wurde letztes Jahr in der Notaufnahme gemacht, nachdem der Mann, mit dem sie zusammenlebte, sie geschlagen hatte. Sie war gerade aus seiner Villa in Marblehead ausgezogen und hatte hier in Newton ein Haus gemietet. Eines Abends stand er vor ihrer Tür und wollte sie dazu überreden, zu ihm zurückzukehren. Sie sagte ihm, er solle verschwinden. Tja, man schreibt einem Charles Cassell nun mal nicht vor, was er zu tun und zu lassen hat. Und das war die Folge.«
    Maura hörte den Zorn in seiner Stimme, und als sie aufblickte, sah sie, dass er die Lippen zusammenpresste. »Wie ich höre, hat sie ihn verklagt.«
    »O ja, das hat sie. Ich habe ihr dabei von Anfang an mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ein Mann, der eine Frau schlägt, versteht nur eine einzige Sprache: Strafe. Ich wollte verdammt noch mal sichergehen, dass er die Konsequenzen seines Handelns zu spüren kriegt. Ich habe ständig mit häuslicher Gewalt zu tun, und es macht mich immer wieder aufs Neue wütend. Es ist, als ob in mir drin ein Schalter umgelegt wird – dann will ich nur noch eins: den Kerl einbuchten. Und das habe ich auch mit Charles Cassell versucht.«
    »Und was ist daraus geworden?«
    Ballard schüttelte angewidert den Kopf. »Eine einzige lächerliche Nacht hat er hinter Gittern verbracht. Wenn man
Geld hat, kann man sich von fast allem freikaufen. Ich hatte gehofft, damit wäre die Sache erledigt, und er würde sie in Zukunft in Ruhe lassen. Aber das ist ein Mann, der es nicht gewohnt ist zu verlieren. Er hat nicht aufgehört, sie anzurufen und an ihrer Haustür zu klingeln. Zweimal ist sie umgezogen, aber er hat sie jedes Mal wieder gefunden. Schließlich hat sie eine einstweilige Verfügung erwirkt, die ihm den Kontakt mit ihr untersagte, aber das hat ihn nicht daran gehindert, an ihrem Haus vorbeizufahren. Und dann, vor ungefähr sechs Monaten, wurde aus dem bösen Spiel tödlicher Ernst.«
    »Wie?«
    Er deutete mit dem Kopf auf die Akte. »Es ist alles da drin. Dieser Zettel hat eines Morgens an ihrer Haustür gesteckt.«
    Maura blätterte um und erblickte ein fotokopiertes Blatt. Es waren nur drei gedruckte Worte, genau in die Mitte eines ansonsten leeren Bogens gesetzt.
    Du bist tot.
    Maura spürte die kalte Hand der Angst in ihrem Nacken. Sie stellte sich vor, wie sie eines Morgens aufwachte, ihre Haustür aufmachte und dieses weiße Blatt zu Boden flattern sah. Wie sie es aufhob, auseinander faltete und diese drei Worte las.
    »Das war nur die erste Botschaft«, sagte er. »Danach kamen noch mehr.«
    Sie blätterte weiter. Auf der nächsten Seite standen die gleichen Worte:
    Du bist tot.
    Ebenso auf dem dritten, dem vierten Blatt.
    Du bist tot.
    Du bist tot.
    Ihre Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. Sie sah Ballard an. »Konnten Sie denn nichts tun, um ihn daran zu hindern?«
    »Wir haben es versucht, aber wir konnten nie wirklich beweisen, dass er diese Botschaften geschrieben hat. Ebenso
wenig, wie wir beweisen konnten, dass er ihren Wagen zerkratzt oder die Fliegengitter an ihren Fenstern zerschnitten hat. Und dann öffnete sie eines Tages ihren Briefkasten – und fand einen toten Kanarienvogel. Sein Genick war gebrochen. Da wollte sie nur noch eins: so schnell wie möglich aus Boston verschwinden.«
    »Und Sie haben ihr dabei geholfen.«
    »Ich habe ihr immer geholfen. Ich war derjenige, den sie anrief, wenn Cassell sie wieder einmal terrorisiert hatte. Ich habe ihr geholfen, die einstweilige Verfügung zu erwirken. Und als sie dann beschloss, die Stadt

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