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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sollte in einer Klinik sein.«
    »Das trifft auf eine ganze Reihe unserer Insassinnen zu. Erzählen Sie das den Gerichten, Dr. Isles; ich habe es schon vergeblich versucht. Das System selbst ist verrückt. Auch wenn es noch so offensichtlich ist, dass Sie einen Mord unter dem Einfluss einer Psychose begangen haben – es wird Ihnen kaum je gelingen, die Geschworenen von Ihrer Unzurechnungsfähigkeit zu überzeugen.«
    »Sind Sie ganz sicher, dass sie tatsächlich unzurechnungsfähig ist?«, fragte Rizzoli leise.
    Maura wandte sich zu Rizzoli um und sah, dass ihr Blick auf die aufgeschlagene Psychiatrieakte der Insassin geheftet war. »Gibt es denn Zweifel an ihrer Diagnose?«
    »Ich kenne die Psychiaterin, die sie untersucht hat. Dr. Joyce O’Donnell. Die vergeudet ihre Zeit normalerweise nicht mit Nullachtfünfzehn-Schizophrenen.« Sie sah Gurley an. »Warum ist sie mit diesem Fall befasst?«
    »Das scheint Sie zu beunruhigen«, meinte Gurley.
    »Wenn Sie Dr. O’Donnell kennen würden, wären Sie auch beunruhigt.« Rizzoli klappte die Akte zu und atmete tief durch. »Gibt es noch irgendetwas, was Dr. Isles wissen muss, bevor sie die Gefangene besucht?«
    Gurley sah Maura an. »Ich nehme an, dass es mir nicht gelungen ist, es Ihnen auszureden?«
    »Nein. Ich bin bereit, sie zu sehen.«
    »Dann gehe ich jetzt mit Ihnen zum Besuchereinlass.«

16
    Ich kann immer noch zurück.
    Das war der Gedanke, der Maura unentwegt durch den Kopf ging, während sie die Besucherschleuse passierte. Während sie ihre Uhr abnahm und sie zusammen mit ihrer Handtasche in ein Schließfach legte. Weder Schmuck noch Portemonnaies durften in den Besuchsraum mitgenommen werden, und ohne ihre Geldbörse kam sie sich nackt vor, aller Identitätsnachweise beraubt, ohne all die kleinen Plastikkarten, die der Welt verrieten, wer sie war. Sie klappte das Schließfach zu, und der metallische Klang rief ihr schlagartig ins Gedächtnis, was für ein Ort es war, an dessen Schwelle sie nun stand: ein Ort, wo beständig Türen knallten, wo das Leben sich in vergitterten Käfigen abspielte.
    Maura hatte auf ein Gespräch unter vier Augen gehofft, doch als die Aufseherin ihr die Tür des Besuchsraums öffnete, sah sie gleich, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war. Die nachmittägliche Besuchszeit hatte bereits vor einer Stunde begonnen, und der Raum war erfüllt von lärmenden Kinderstimmen und dem Trubel von Familien, die ihr Wiedersehen feierten. Münzen fielen klirrend in Verkaufsautomaten, die abgepackte Sandwiches, Chips und Schokoriegel ausspuckten.
    »Amalthea ist jetzt auf dem Weg nach unten«, sagte die Aufseherin. »Suchen Sie sich doch schon mal einen Platz.«
    Maura ging zu einem freien Tisch und setzte sich. Die Plastiktischplatte war klebrig von verschüttetem Saft. Sie hielt die Hände im Schoß verschränkt und wartete mit pochendem Herzen und trockener Kehle. Die klassische Kampf-oder-Flucht-Reaktion, dachte sie. Warum bin ich eigentlich so nervös?

    Sie stand auf und ging zu einem Waschbecken. Dort füllte sie einen Pappbecher mit Wasser und trank ihn mit gierigen Schlucken aus. Immer noch fühlte ihre Kehle sich trocken an. Diese Art von Durst ließ sich nicht mit Wasser allein stillen; der Durst, der beschleunigte Puls, die schwitzenden Hände – all das war Teil ein und desselben Reflexes, mit dem der Körper sich auf eine unmittelbare Bedrohung einstellte. Entspann dich, entspann dich. Du begrüßt sie, redest ein bisschen mit ihr, befriedigst deine Neugier und gehst wieder. Das kann doch nicht so schwer sein, oder? Sie zerdrückte den Pappbecher, drehte sich um und erstarrte.
    Sie sah, wie eine Tür aufging und eine Frau eintrat. Die Schultern gestrafft, das Kinn in einer herrisch-selbstbewussten Pose emporgereckt. Ihr Blick fiel auf Maura und verweilte dort einen Moment. Doch dann, gerade als Maura dachte: Das ist sie , wandte die Frau sich ab, lächelte und breitete die Arme aus, um ein Kind zu begrüßen, das auf sie zugestürmt kam.
    Maura hielt verwirrt inne; sie wusste nicht, ob sie sich setzen oder stehen bleiben sollte. Dann öffnete die Tür sich erneut, und Maura erblickte die Aufseherin, mit der sie zuvor gesprochen hatte. Die Frau, die sie am Arm hereinführte, ging nicht, sondern schlurfte; mit eingezogenen Schultern und gesenktem Kopf starrte sie auf den Boden, als ob sie wie besessen nach einem verlorenen Gegenstand suchte. Die Aufseherin führte sie an Mauras Tisch, rückte einen Stuhl zurecht und platzierte die

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