Schwesternmord
Detail eingestuft. Durchaus verständlich angesichts all der Gräuel, die an diesem Opfer verübt worden waren.
Yoshima hatte Hobart bei der Autopsie assistiert; vielleicht erinnerte er sich noch an den Fall.
Sie verließ ihr Büro, ging die Treppe hinunter und stieß die Doppeltür zum Autopsiesaal auf. Sie fand ihn verlassen, alle Arbeitsflächen sauber gewischt für den nächsten Tag.
»Yoshima?«, rief sie.
Sie zog sich Überschuhe an und durchquerte den Autopsiesaal,
ging vorbei an den leeren Sektionstischen aus Edelstahl und durch eine weitere Doppeltür in die Anlieferung. Sie zog die Tür zum Kühlraum auf und warf einen Blick hinein. Doch hier war niemand außer den zwei Toten, die in weißen Leichensäcken nebeneinander auf Rollbahren lagen.
Maura schloss die Tür und verharrte einen Moment in der menschenleeren Halle, lauschte auf Stimmen, Schritte, irgendetwas, das ihr verraten hätte, dass noch jemand im Gebäude war. Doch sie hörte nichts als das Brummen der Kühlaggregate und, ganz schwach, das Heulen einer Sirene draußen auf der Straße.
Costas und Yoshima hatten wohl schon Feierabend gemacht und waren nach Hause gefahren.
Als sie fünfzehn Minuten später das Gebäude verließ, sah sie, dass der Saab und der Toyota tatsächlich nicht mehr auf dem Parkplatz standen; die einzigen Fahrzeuge neben ihrem schwarzen Lexus waren drei Leichenwagen des Rechtsmedizinischen Instituts. Die Dunkelheit war hereingebrochen, und ihr Wagen stand allein im gelben Lichtkegel einer Straßenlampe.
Die Bilder von Theresa und Nikki Wells verfolgten sie immer noch. Als sie auf ihren Lexus zuging, registrierte sie bewusst jeden Schatten, jedes zufällige Geräusch, jede Andeutung einer Bewegung. Ein paar Schritte vor ihrem Wagen blieb sie abrupt stehen und starrte auf die Beifahrertür. Ihre Nackenhaare richteten sich auf; der Aktenstapel, den sie mitgenommen hatte, glitt ihr aus den Händen, und die Papiere flatterten kreuz und quer über den Asphalt.
Drei parallele Schrammen verunstalteten den glänzenden Lack ihres Wagens. Wie von Klauen gezogen.
Nur weg von hier. Zurück ins Haus.
Sie wirbelte herum und rannte zurück zum Eingang. An der verschlossenen Tür hantierte sie nervös mit den Schlüsseln. Wo war er, welcher war der richtige? Endlich fand sie ihn, schob ihn ins Schloss, sperrte auf und stieß die Tür auf. Sofort schlug sie sie hinter sich zu und lehnte sich mit
dem Rücken dagegen, wie um sie zusätzlich zu verbarrikadieren.
In dem menschenleeren Gebäude war es so still, dass sie ihre eigenen panischen Atemzüge hören konnte.
Sie lief den Flur entlang zu ihrem Büro und schloss sich ein. Erst jetzt, in dieser vertrauten Umgebung, wurde ihr rasender Puls allmählich langsamer, ließ das Zittern ihrer Hände nach. Sie ging an ihren Schreibtisch, griff nach dem Telefon und rief Jane Rizzoli an.
18
»Sie haben genau das Richtige getan. Die Beine in die Hand genommen und sich an einen sicheren Ort zurückgezogen«, sagte Rizzoli.
Maura saß an ihrem Schreibtisch und starrte auf die zerknitterten Papiere, die Rizzoli für sie auf dem Parkplatz aufgelesen hatte. Ein jetzt ziemlich unordentlich wirkender Stapel aus Nikki Wells’ Akte, mit Schmutzflecken verziert, weil sie in ihrer Panik darauf getreten war. Noch jetzt, in der Geborgenheit ihres Büros und mit Rizzoli an ihrer Seite, fühlte sie die Nachwirkungen des Schocks.
»Haben Sie irgendwelche Fingerabdrücke an meiner Autotür gefunden?«, fragte Maura.
»Ein paar. Was man eben so an einer Autotür findet.«
Rizzoli rollte einen Stuhl an Mauras Schreibtisch heran, setzte sich und legte die verschränkten Hände auf ihren vorspringenden Bauch. Mama Rizzoli, schwanger und bewaffnet, dachte Maura. Eine merkwürdige Retterin in der Not habe ich mir da ausgesucht.
»Wie lange stand Ihr Wagen auf dem Parkplatz? Sie sagten, Sie seien so gegen achtzehn Uhr gekommen.«
»Aber die Schrammen könnten auch schon angebracht worden sein, bevor ich hier ankam. Ich benutze die Beifahrertür ja nicht jeden Tag. Nur wenn ich Einkaufstüten oder Ähnliches transportiere. Ich habe sie heute Abend nur gesehen, weil das Auto zufällig so geparkt war. Und es stand direkt unter der Lampe.«
»Wann haben Sie sich die Tür zuletzt bewusst angeschaut?«
Maura presste die Handflächen gegen ihre Schläfen. »Ich weiß, dass gestern Morgen noch alles in Ordnung war. Als ich von Maine losgefahren bin, habe ich meine Reisetasche
auf den Vordersitz gestellt. Da
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