Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
in verblassten Farben, Tonscherben und ein paar getrocknete
Pilze. Bei genauerem Hinsehen fand ich auch noch ein paar Streifen rotes Lametta
und die ein oder andere goldene Weihnachtskugel. Konnte man so etwas ernsthaft
kaufen? Oder waren das die Sachen aus dem Weihnachtsmüll anderer Leute? Ein
weiteres Weihnachtsrätsel der Familie Hasenbein stand in voller Pracht vor mir.
„Alles
Schmuck, den unser Rigolettolein als Kind selbst
gebastelt hat. Ist das nicht eine tolle Erinnerung?“, erklärte Ingrid im
gleichen Moment und ich begann zu fürchten, dass sie meine Gedanken wirklich
lesen konnte wie die Weihnachtsgeschichte.
„Natürlich
gehen immer mal wieder ein paar Sachen kaputt. Aber wenn ich daran denke, mit
welcher Hingabe und Liebe Rigoletto das alles
gebastelt hat, kann ich es einfach nicht wegschmeißen.“
Ingrid sah verliebt von ihrem Weihnachtsbaum zu ihrem Sohn. Selbiger
strahlte zurück, als hätte man ihm gerade eröffnet, dass der Hasenbeinsche Horror-Weihnachtsbaum bei einer Auktion dank
eines anonymen Telefonbieters einen Rekordpreis erzielt und er für immer
ausgesorgt hatte.
„Das
erbt mein Rigolettolein alles, wenn er mal eine
eigene Familie gründet! Dann hat er etwas aus seiner Kindheit, was er
weitergeben kann.“
Ingrid zwinkerte mir vielsagend zu. Wusste sie etwa mehr als ich
wusste? Mein Herz machte einen kleinen Sprung.
„Ich
liebe Traditionen“, sagte ich diplomatisch, denn egal wie scheußlich der Baum
aussah, Heiligabend hatte gerade erst begonnen und ich wollte keine neuen
Ingrid-Kullertränen so früh am Abend.
Leider fiel mein Blick in diesem Moment auf eine Tonscherbe, auf
die mit unbeholfener Kinderhand eine dicke, nackte Frau gemalt war. Ich spürte
einen unstillbaren Lach-Reiz in mir aufsteigen. Gott sei Dank kam Igerich mit einem Tablett Sektgläser und wenn er nicht im
letzten Moment noch über den Teppich gestolpert wäre, hätte ich den in mir
aufsteigenden hysterischen Lachkrampf mit Sekt herunterspülen können. So blieb
mir einmal mehr nur der Anblick von Ingrids Hinterteil, während sie den Teppich
sauber machte. Was nicht wirklich gegen den Lachanfall half, da ihr Kleid auch
am Po mit Sternen besetzt war, die bei jeder ihrer Bewegung hin und her tanzten
wie ein Schiff auf hoher See.
Ein halbe Stunde später standen wir endlich mit gefüllten
Sektgläsern vor dem Weihnachtsbaum und prosteten uns ein „Frohe Weihnachten“
zu. Nachdem Ingrid uns alle einmal an ihren Atombusen gepresst und aus meiner
Rippenquetschung einen glatten Durchbruch gemacht hatte, begann die Bescherung.
Zunächst packten Rigoletto und ich gefühlte 200
Geschenke (jeder!) seiner Mutter aus. Endlich wusste ich, wer diese kleinen
Bücher in komischen Formaten und ohne jeglichen Sinn oder Verstand kauft, die
in Drogerien, Supermärkten und Ramschläden auf Grabbeltischen ausliegen.
„Für
deinen Nachttisch, dann kannst du vor dem zu Bettgehen noch ein wenig lesen“, erklärte
Ingrid, warum ich jeweils ein Buch über „Herzen“, eins mit „Kleinen Gedichten
für die Nacht“ und eins mit Bildern der schönsten „Blumen dieser Welt“ mein
Eigen nannte. Außerdem war ich Besitzerin von Duftkerzen für alle Lebenslagen
sowie eines größeren Vorrats an mit Blumen, Herzen und ähnlichem bedruckten
Papiertaschentüchern und eines Kresseschweins .
Bis zu diesem Heiligabend war ich der festen Überzeugung gewesen,
die Spezies der Tonschweine, in denen man Kräuter ziehen konnte, sei in den
80er Jahren ausgestorben. Nun wusste ich es besser. Insgeheim hatte ich aber
noch Schlimmeres erwartet und atmete einmal tief und erleichtert durch. Ich
hätte einfach nicht gewusst, wie ich Ingrid für ein großes Paket ihrer
schönsten Kräuter, eine Kopie des Weihnachts-FKK-Videos oder für „Familie
Hasenbein nackt in Öl auf Leinwand“ hätte danken sollen. Die Geschenke, die sie mir gemacht hatten, waren
leicht zu entsorgen, und genau dies würde ich sofort nach unserer Rückkehr nach
Berlin auch tun.
Der Sohn des Hauses wurde mit ähnlichen Geschenken bedacht, die ich
ebenfalls in einer stillen Minute entsorgen würde. Nun überreichte ich Ingrid
und Igerich meine Geschenke. Ingrid bekam ein erst
zwei Tage vor Weihnachten erschienenes Buch über seltene Heilkräuter, das sie
mit den Worten „Ach, in diesem Büchern steht meistens doch nur der gleiche Konsum-Kram
drin“
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