Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
besonders wirksam?
Ich ging Richtung Küche, um etwas zu trinken und mich über den
Verbleib meiner Mitmenschen zu informieren. Einen Zettel würden sie mir
sicherlich dagelassen haben. Doch bis zur Küche schaffte ich es nicht. Auf
meinem Weg kam ich am Wohnzimmer vorbei, dessen Tür nur angelehnt war. Nun
hörte ich leise Stimmen und Musik. Neugierig schielte ich durch den Türspalt
und sah Ingrid auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher sitzen. Neben ihr saß Rigoletto , der in meiner Abwesenheit offensichtlich eine
Beförderung vom Beistell-Stuhl auf das Sofa erhalten hatte. Vor dem Fenster
stand der geschmückte Weihnachtsbaum, der von einem überdimensionalen Paravent
verdeckt wurde. Großzügig lächelte ich wohlwollend über diesen weihnachtlichen
Mutter-Sohn-Moment und wollte gerade meinen Weg in die Küche fortsetzen, als
mein Blick auf den Fernseher fiel. Auf dem Bildschirm waren nackte Menschen zu
sehen, die zu den Klängen von „Fröhliche Weihnacht überall“ Veitstänze um einen riesigen
Weihnachtsbaum machten. Die nächste Einstellung war eine Nahaufnahme von
Ingrid, die einen ungefähr 10-jährigen Rigoletto an
ihren wogenden und vor allem nackten Busen drückte. Daneben stand Igerich , der mit einem Weinglas in der Hand im Takt zur
Musik wippte. Wobei alles an Igerich wippte.
Ich wusste nicht genau, ob ich lachen oder ohne ein Wort des
Abschieds aus dem Haus und soweit mich meine Beine tragen würden rennen sollte.
Immerhin, meine Kopfschmerzen waren vergessen. Während ich mit mir debattierte,
ob ich das Gesehene ignorieren und für immer darüber schweigen sollte und
könnte, entdeckte mich Ingrid.
„ Mandylein , komm doch herein, wir schauen gerade alte
Weihnachtsfilme!“ Auffordernd winkte sie mit ihrer Hand. Als ich das Zimmer
betrat und mich dem Fernseher näherte, sah ich, dass Rigoletto so rot im Gesicht war, dass man nicht genau erkennen konnte, ob seine
Gesichtsfarbe noch menschlich war oder ob er sich bei einer Kinderparty das
Gesicht hatte anmalen lassen. Er sah ein bisschen aus wie eine Mischung aus Spidermann mit dem Gesichtsausdruck von Bambi, in dem
Moment als Bambis Mutter erschossen wird.
„Wann
und wo ist denn das?“, fragte ich so diplomatisch wie möglich, obwohl es mir
auf der Zunge lag, zu fragen, wie in drei Gottes Namen man nackt mit 20 anderen
Leuten um einen Weihnachtsbaum tanzen konnte.
„Da
waren wir mit unserem FKK-Club über Weihnachten in Brasilien und haben uns eine
riesige Finka gemietet, damit wir ungestört sind. Weißt du, in Brasilien haben
die es nicht so mit dem Ganzkörper-FKK. Die haben es grad nötig! Als würden die
knappen Höschen, die die da anhaben, irgendeine Frage
offen lassen!“, erklärte mir Ingrid, während Rigoletto versuchte, in einer Falte des Sofas zu verschwinden.
„So
eine schöne Erinnerung, nicht wahr, Rigolettolein ?“
Ingrid schaute ihren Sohn glücksbeseelt an und ich fragte mich, ob ihr seine
Gesichtsfarbe nicht auffallen musste.
„Ich
glaube, das war unser schönstes Weihnachten überhaupt. Den Film schauen wir
jedes Jahr, das hat richtig Tradition bei uns“, schwärmte Ingrid weiter.
Und ich hatte es immer albern gefunden, dass meine Mutter darauf
bestand, zu Weihnachten „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ im Fernsehen zu schauen.
„Wir
dachten, du schläfst“, sagte mein Hase zaghaft aus seiner Sofafalte heraus.
„Ich
wollte nur schnell was trinken gehen“, entschuldigte ich meine, ihm offenbar
nicht angenehme Anwesenheit und verließ den Raum.
Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun oder sagen sollen. In mir
brannten zwei Fragen, die auch durch kaltes Wasser aus dem Kühlschrank nicht
auszulöschen waren. Erstens: War dies das schwärzeste Familiengeheimnis der
Hasenbeins oder was erwartete mich noch alles? Zweitens: Hatte ich mein neues,
schwarzes Kleid umsonst eingepackt, da ich nackt Heiligabend feiern würde?
Vielleicht hätte ich mit Rigoletto doch lieber vor
Weihnachten über Weihnachten bei ihm zu Hause sprechen sollen. Ich kam mir im
wahrsten Sinne des Wortes wie ein Kaninchen vor, das nicht wusste, ob ihm
dieses Jahr zu Weihnachten das Fell über die Ohren gezogen werden würde oder
nicht.
Es waren nur noch wenige Stunden bis zur Bescherung, doch diese
zogen sich in qualvoller Langsamkeit hin. Ich hatte mich in unserem
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