Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Zimmer
wieder auf das Bett gelegt und konnte nur noch an eins denken: Familie
Hasenbein, nackt in allen Lebenslagen. Es war fürchterlich. Vor meinem inneren
Auge sah ich Ingrid nackt im Supermarkt, nackt beim Kräutersammeln, nackt
kochen und nackt bei der Pediküre. Ich weiß, das war übertrieben, aber ich habe
nun mal eine ausufernde Fantasie. Wie hatte mein Freund mir nur verheimlichen
können, dass seine Eltern dem Frei-Körper-Kult anhingen? Und was war mit ihm
selbst? Seine rote Gesichtsfarbe ließ mich allerdings hoffen, dass er nicht
länger Teil dieses Kultes war. In diesem Moment kam mir ein neuer,
schrecklicher Gedanke: Rigoletto und ich hatten für
das nächste Jahr eine romantische Städtereise nach Paris geplant. Gab es
FKK-Städtereisen? Sollten wir jemals gemeinsam in den Urlaub fahren, würde ich
nonstop nackt sein müssen? Würde ich nackt unter dem Eiffelturm stehen müssen? Endlich
kam Rigoletto zu mir ins Zimmer. Er sah immer noch
verlegen aus.
„ Uuuuuund ?“, fragte ich so langgezogen, dass selbst einem
Einzeller klarwerden musste, dass ich eine Erklärung erwartete.
„Nichts,
und“, war die leicht bockige Antwort.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war auf eine langatmige
Erklärung, wie es zu dem Video gekommen war, vorbereitet, nicht auf eine
„ist-doch-alles-normal“-Antwort.
„Nichts,
und“?, fragte ich wiederum betont lang gezogen nach. „Deine Familie führt zu
Weihnachten in Südamerika nackte Veitstänze um einen Weihnachtsbaum auf, lässt
sich dabei auch noch filmen und du sagst mir ‚Nichts und’??“
„Was
soll ich sagen?“ Mein Hase zuckte mit den Achseln. „Meine Eltern machen
FKK-Urlaub und natürlich bin ich da als Kind mitgefahren. Ist doch nichts
dabei. Das machen viele Leute. Ich mache es allerdings nicht mehr, falls es
dich beruhigt.“
„Das
beruhigt mich ungemein“, sagte ich tatsächlich erleichtert.
Da ich ein überaus harmoniebedürftiger Mensch bin, machte ich auch
kein weiteres Aufheben um das Gesehene und verkniff mir Hunderte von
FKK-Fragen, die mir auf meiner nackten Seele brannten. Heiligabend mit einem
Streit beginnen, widerstrebte meiner weihnachtlichen Grundstimmung.
Stattdessen fragte ich:
„Wann
ist bei euch eigentlich Bescherung?“
„So
gegen 6 Uhr, vorher gehen wir noch spazieren. Das ist auch so eine kleine
Tradition bei uns.“ Rigoletto räusperte sich
merkwürdig.
Musste ich weiteren nackten Tatsachen ins Auge sehen? Ich spürte,
wie in mir eine gewisse Angst aufstieg.
„Und?“,
fragte ich nach, als Rigoletto keinerlei Anstalten
machte, weiter zu sprechen.
„Na
ja“, begann er schließlich zögernd und ich fragte mich, ob ich erneut eine
leichte bis mittlere Röte in sein Gesicht steigen sah.
„Als
ich noch ein Kind war, hat meine Mutter mir erzählt, dass man am Heiligabend
die Tiere sprechen hört, wenn man in den Wald geht. Deswegen sind wir jedes
Jahr vor der Bescherung in den Wald gegangen und haben versucht, die Tiere zu
hören.“
„Aha,
und das macht ihr immer noch“, stellte ich fest und musste mich sehr
zurückhalten, um nicht zu fragen, ob Familie Hasenbein angezogen oder nackt in
den Wald ging.
„So
ist es.“ Mein Freund sah mich eindringlich an und ich hätte schwören können,
dass er versuchte, meine Gedanken zu lesen.
Das war es zumindest, was ich versucht hätte, wenn ich gerade einem
anderen Menschen einen derartigen Schwachsinn erzählt hätte.
„Solange
du mir jetzt sagst, dass ihr die Tiere noch nie habt sprechen hören, finde ich
das eine sehr schöne Tradition“, räumte ich diplomatisch ein, obwohl ich
innerlich bebte. Vor Lachen.
„Ich
bleibe aber trotzdem lieber hier. Ihr sollt ja auch ein wenig Familienzeit zu
Weihnachten haben“, erklärte ich großzügig. Oder eigennützig.
Es war deutlich zu kalt für einen Nackt-Spaziergang. Vielleicht
würde Ingrid auch ein Wildschwein-Kostüm tragen, um ihresgleichen anzulocken. Mit
fast unmenschlicher Anstrengung unterdrückte ich bei diesem Gedanken ein
gehässiges Lachen.
„Oh,
das ist nicht nötig, meine Eltern freuen sich, wenn du mitkommst. Aber
vielleicht ist es auch nett, wenn wir
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