Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
„Papa
Schlumpf, Schlumpfine , Schlafschlumpf,
Tennisschlumpf, Skischlumpf, Pfadfinderschlumpf - alles da!“
Ingrid sah mich an, als wäre es eine echte
Errungenschaft, jeden erdenklichen Schlumpf zu besitzen. Während die Mutter
meines Freundes eine schier unendliche Reihe Schlümpfe aus der Kiste holte,
überlegte ich still, was schlimmer sei: das Auftauchen der Ex-Freundin oder das
Auftauchen der Schlumpf-Sammlung.
„Da
wird Rigoletto aber Augen machen, wenn er seine
Schlumpf-Sammlung sieht!“ Ingrid lachte vergnügt vor sich hin. „Er hat ja keine
Ahnung, dass ich die für ihn aufgehoben habe.“
„Guck
mal! Schlumpf-Sammlung!“, sagte ich ebenso laut wie künstlich und grinste dabei
eines dieser Lächeln, die so falsch waren, dass sie einem eigentlich zur Strafe
im Gesicht erstarren müssten.
„Jetzt
müssen wir nur noch ein schönes Plätzchen suchen, wo die Schlümpfe ein neues
Zuhause bekommen.“
Ingrid sah sich suchend im Wohnzimmer um. Ich spürte
derweil Hoffnung in mir aufkeimen. Es konnte doch nicht ernsthaft sein, dass
Ingrid glaubte, ihr über 30jähriger Sohn wolle seine Schlumpf-Sammlung
aufstellen? Noch dazu im Wohnzimmer? Es war eindeutig, ich war in eine Folge
der „Versteckten Kamera“ geraten.
„Ich
weiß“, schnatterte Ingrid in diesem Moment los und hörte sich an wie eine
glücklich erregte Gänsemutter, die ihre Küken zusammentreibt, weil sie am
Wegesrand ein großes Stück Brot gefunden hat, „wir stellen die Schlümpfe auf
die Fensterbänke. Da ist es ein richtiger Glücksgriff, dass die Vorhänge ein
wenig zu kurz sind, da könnt ihr beides haben: die Feng-Shui-Vorhänge und
darunter die Schlumpf-Sammlung.“
Ich ließ einen letzten verzweifelten, suchenden Blick
durch das Wohnzimmer schweifen. Keine Kamera. In einem gerechten Leben wäre nun der Moment gekommen, wo der Moderator aus
dem Nebenraum trat und ich für die erlittenen Qualen mindestens mit der
Erfüllung eines meiner Lebensträume entlohnt würde. In meinem Leben aber stellte Ingrid die blauen Schlümpfe auf die
Fensterbank, wo sie einen solchen Kontrast zu den goldenen Vorhängen bildeten,
dass einem die Augen schmerzten. Ich würde bei der Sanierung meines Wohnzimmers
eine Sonnenbrille tragen müssen.
„Dann
wollen wir mal schauen, was wir noch für Überraschungen in den anderen Kisten
haben.“
Ingrid machte sich geheimnisvoll ans Öffnen der
nächsten Kiste. Ich dagegen hatte den Schock der ersten noch nicht wirklich
verdaut.
„Nicht
gucken!“, zwinkerte sie mir zu und verschwand fast bis zum Bauchnabel in der
Box.
„Ach,
weißt du was, Mandylein ? Auf der anderen Straßenseite
ist doch ein Kiosk, der hat bestimmt auch Sonntags auf. Wie wäre es, wenn du
mal schnell rüber springst und eine Flasche Sekt kaufst? Dann kann ich hier
alles dekorieren. Wenn ich fertig bin, stoßen wir darauf an.“
Ingrid wollte ganz offensichtlich nicht, dass ich
sah, was sich in der Box befand.
„Nein,
das geht nicht“, war ich versucht zu antworten und dachte weiter: „Wenn ich
diese Wohnung, die bis gestern Morgen wunderschön eingerichtet war, jetzt
verlasse, besteht die sehr große Gefahr, dass ich mich unten vor ein Auto oder
die U-Bahn werfe.“
Stattdessen sagte ich:
„Das
ist eine sehr gute Idee“, und machte mich auf den Weg.
Der Kioskbesitzer konnte sein Glück gar nicht fassen,
als ich ihm gleich drei seiner wahrscheinlich uralten und unglaublich
überteuerten Sektflaschen abkaufte. Mir aber war das Geld egal, ich sah nur
noch einen Ausweg: Vielleicht konnte ich mir meine Wohnung und meine „Fast-Schwiegermutter“
schön trinken. Außerdem kaufte ich mir einen 5er Pack meiner
Lieblingsschokoladenriegel, die ich zur Beruhigung im Treppenhaus auf den
Stufen sitzend aß. Alle fünf. Leider trat der erhoffte Effekt nicht ein. Im
Gegenteil. Die Schokolade beruhigte mich überhaupt nicht und mir wurde furchtbar
schlecht. Leider konnte nicht mal die Übelkeit mich von der furchtbaren Vision
in meinem Kopf ablenken: Ingrid als lebende Dart -Scheibe,
die von mir mit messerscharf angespitzten Schlümpfen beworfen wurde. Ich
seufzte schwer. Es gab kein Entkommen. Ich musste zurück in meinem
Wohn-Albtraum.
Ich schloss die Haustür mit einer Mischung aus Angst
und Resignation auf. Ich
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