Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
erwartete etwas Grauenvolles. Den innen-architektonischen Super-Gau .
Noch eine Scheußlichkeit, die unsere schöne Wohnung endgültig entstellen würde.
Ich wurde nicht enttäuscht. In dem relativ großzügig
geschnittenen Eingangsbereich stand
eine riesige Zimmerpflanze, die in einen kackbraun glasierten Tontopf gepflanzt
war. Die Pflanze hatte einen enormen, außen grünen, innen rötlichen Kelch, aus
dem ein gigantischer Stachel ragte. Sie sah ein bisschen aus wie ein
Sexspielzeug für Monster in einem Fantasy-Film.
„Was
ist das?“, fragte ich Ingrid und deutete auf das Ding.
„Das
ist eine Titanenwurz “, klärte mich Ingrid stolz auf.
Wie eine besorgte Mutter stand sie neben der Pflanze und streichelte sie
zärtlich.
„Aha.“
Mehr fiel mir nicht ein.
„Natürlich
ist die nicht echt. Das hättest du nicht gedacht, oder?“ Ingrid sah mich
fragend an.
„Aha.
Nein, das hätte ich nicht gedacht.“ Es war mir auch egal, ob das scheußliche
Ding echt oder nicht echt war. Ich wollte es nicht in meiner Wohnung haben.
„Die Titanenwurz kommt aus Indonesien und ist die größte
Blume der Welt. Sie blüht nur drei Tage im Jahr und stinkt dann gewaltig, um Fliegen
anzulocken, die für ihre Befruchtung sorgen.“
Ingrid
nickte zu ihren eigenen Ausführungen begeistert mit dem Kopf.
„Diese
hier ist nur eine kleine Nachbildung aus Plastik. In der Natur wird die Titanenwurz bis zu drei Meter groß.“
„Aha.“
Plötzlich wünschte ich mir Erich zurück. Nicht mal
der war an die Scheußlichkeit der Titanenwurz herangekommen.
„ Mandylein , Plastikblumen sind einfach das Beste. Sie
brauchen keinerlei Pflege, man hat keine weiteren Kosten und sie blühen immer.“
„Hat Rigoletto auch eine Plastikblumen-Sammlung?“, fragte
ich schwach. Ich begann zu fürchten, was in den anderen Zimmern auf mich
wartete.
„ Hahahahaha !“ Ingrid wieherte los, als hätte ich den besten
Witz aller Zeiten gemacht.
„Was
denkst du denn von Rigoletto . So etwas Lustiges. Eine
Plastikblumen-Sammlung. Wer hat denn so etwas?“
Menschen, die eine Schlumpf-Sammlung hatten,
vielleicht? Oder Menschen, die zerknülltes Papier in ihren Weihnachtsbaum
hängen?
„Nein,
die Blumen habe ich für euch besorgt. Ich weiß doch, wie ihr jungen Leute seid:
Keine Zeit zum Blumengießen, daher verzichtet man auf Blumen und die ganze
Wohnung wirkt so trist.“
Ingrid begann mit einer Führung durch den Rest der
Wohnung. Oder vielleicht sollte ich lieber sagen durch den botanischen
Plastikgarten, in den sie unser Quartier verwandelt hatte. An jeder Ecke
standen Blumen. Orchideen, Lilien, Amaryllis und andere Pflanzen, deren Namen
mir Ingrid sagte, die ich aber sofort wieder vergaß. Selbstverständlich waren
auch meine beiden schönen Bodenvasen entweiht und vollgestopft mit dem Zeug.
Die Wohnung sah aus wie ein Showroom für schlechte, exotische Plastikblumen. Ich
bekam das Bild von Rigoletto mit Tropenhelm und
Khakihosen auf der Jagd nach künstlichen Schmetterlingen im Wohnzimmer nur
schwer wieder aus dem Kopf. Verfluchte Fantasie. Verfluchte Ingrid.
„Schön“,
sagte ich mit Mühe.
Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass die Titanenwurz noch das Beste an dem Sammelsurium von
Kunstblumen war. Wenigstens kannte man diese Blume nicht und es fiel nicht sofort
auf, dass sie unecht war. Die anderen Blumen dagegen sahen so künstlich aus,
dass jede echte Blume auch nach zehn Tagen ohne Wasser und Licht dagegen noch
frisch und schön gewirkt hätte. Ich seufzte. Es würde viel zu tun geben, sobald
Ingrid und Igerich abgereist waren.
Kapitel 14
Die nächste Woche verging wie im Flug und das vor allem, weil ich
viele Abende damit verbrachte, aus Ingrids Kabinett des Grauens wieder unsere
Wohnung zu machen. Rigoletto bekam das ganze Ausmaß
der Verunstaltung nicht mit, da ich die schlimmsten Spuren von Ingrids Besuch
bis zu seiner Rückkehr aus New York bereits aufgeräumt hatte. Ich fühlte mich
ein bisschen wie diese Helfer in Katastrophengebieten, die vor der fast
unlösbaren Aufgabe standen, aus einer unglaublichen Verwüstung wieder
lebenswerte Flächen zu schaffen.
Ich war zu der
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