Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
und schob mich in die Umkleidekabine. Dort aß ich erst mal eine
Handvoll Gummibärchen. Am meisten ärgerte mich, dass mir die Antwort
„Entschuldigung, aber wenn ich mich beschimpfen lassen möchte, bringe ich meine
Schwiegermutter mit“ nicht rechtzeitig eingefallen war. Nun war es zu spät. Um
meine merklich abgekühlte Laune wieder herzustellen, probierte ich das nächste
Kleid an, das mindestens so schön war wie das erste.
Draußen
machte „Mutter Miesepeter“ derweil ihrer Tochter wieder zur Schnecke.
„Das Kleid ist gut, aber steht dir nicht. Dir fehlt einfach das
Gesicht für etwas Eleganz.“
Neugierig
geworden, versuchte ich durch einen Spalt im Vorhang einen Blick auf die sicher
nicht glückliche, zukünftige Braut zu erhaschen. Leider sah ich sie nur von
hinten, konnte allerdings ein Monstrum von einem Kleid erkennen, gegen das die
rote Robe von Ingrid noch dezent aussah. Die Puff-Ärmel waren so gigantisch,
dass man einen ganzen Satz Blumenkinder locker darin hätte unterbringen können.
„Wir gehen!“, befahl die missgelaunte Mutter in diesem Moment. „Dann müssen wir dir eben eins
maßschneidern lassen.“
Als ich
kurz danach aus meiner Umkleidekabine trat, war die andere Braut wieder
verschwunden und ihre Mutter lief wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Sabrina
reichte mir schnell das nächste Kleid und schob mich zurück in meine Kabine.
Sie hatte ganz offensichtlich Angst, dass „Mutter Fürchterlich“ mich nochmals
beleidigen könnte. Ich hatte gerade den Vorhang geschlossen, als die Tür zur
Anprobe aufging und ein Mann hinein kam, der gutgelaunt fragte:
„Na, wie ist es den beiden liebsten Frauen in meinem Leben
ergangen?“
„Du machst dir keine Vorstellung“, antwortete die mürrische Alte
mit einer auf einmal viel sanfteren Stimme. „Ich habe alles getan, mit einer
Engelsgeduld drei Stunden lang die schönsten Kleider raussuchen lassen, aber
nichts hat ihr so richtig gefallen.“
Sie ließ
einen theatralischen Seufzer folgen, der mich an Ingrid erinnerte. Plötzlich
ging mir ein Licht auf. Das da draußen war mitnichten das verkorksteste
Mutter-Tochter-Gespann der Welt! Es handelte sich um eine Schwiegermutter und
ihre künftige Schwiegertochter. Ich war kurz versucht, für Ingrid dankbar zu
sein, rief mir dann aber in Erinnerung, dass ich nicht wusste, was sie im
Brautmodengeschäft so alles aufgeführt hätte.
Ich
hatte mittlerweile Model Nummer Drei an und bereits fotografiert. Also verließ
ich meine Umkleidekabine, um von Sabrina das nächste und letzte Kleid in
Empfang zu nehmen. Aus der anderen Kabine trat gleichzeitig das arme Geschöpf,
dessen gemeinsamer Vormittag mit der Schwiegermutter mit Sicherheit zu den
schlimmsten Tagen ihres Lebens zählte. Mitleidig blickte ich die Frau an - und
wollte meinen Augen nicht trauen. Melanie. Die
„meine-Schwiegermutter-tut-alles-für-mich-Melanie“ aus der Bürotoilette.
„Hallo!“, grüßte ich etwas verkrampft und versuchte, in meinem Kopf
ein wenig Klarheit in die Sache zu bringen.
Hatte
Melanie nicht damals ihrer Kollegin Ariane vom Bildarchiv erzählt, dass ihre
Schwiegermutter nett sei und Erdbeerkuchen außerhalb der Saison für sie machte,
obwohl die künftigen Schwiegereltern es „nicht so dicke“ hatten? Oder war es
der Rehbraten gewesen? Oder beides? Ich verstand die Welt nicht mehr. Die
mürrische Alte, bei der es sich um eben jene Schwiegermutter handeln musste,
hatte hier die ganze Zeit so getan, als säße sie auf einem der größten je
entdeckten Ölvorkommen und würde ihre Schwiegertochter abgrundtief hassen.
„Hallo!“ grüßte Melanie nach einer kleinen Ewigkeit zurück, in der
sie mich entsetzt angestarrt hatte.
„Darf ich dir meinen zukünftigen Mann und seine Mutter
vorstellen?“, fragte sie dann höflich und ich gab beiden die Hand. Ich begann
mich zu erinnern, dass Melanie bei einer Betriebsfeier mal ausgiebig mit dem
unendlich vielen Geld, das ihr Freund mit seiner Internet-Firma verdiente,
geprahlt hatte. Auf den zweiten Blick war ihre Schwiegermutter auch nicht
besonders nobel gekleidet. Es musste sich um einen ausgeprägten Fall von
mein-Sohn-hat-es-geschafft-jetzt-bin-ich-auch-wer-Komplex handeln. Melanie tat
mir richtig leid. Mit der Schwiegermutter war sie mindestens so gestraft wie
ich mit Ingrid. Kein Wunder, dass sie das – genau wie ich – nicht
vor Arbeitskollegen zugeben wollte. Ich wollte ihr gerade verschwörerisch
zuzwinkern, als Melanie auf „meine“ Sabrina
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