Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
gefährlich nah an mich heran. Ich konnte das Zäpfchen
hinten in ihrem Hals triumphierend auf und ab hüpfen sehen.
In diesem Moment schreckte ich aus meinen Traum hoch. Ich war
schweißgebadet. Ich hatte das alles nur geträumt! Ich ließ mich zurück auf mein
Kissen fallen, als mir ein schrecklicher Gedanke kam: Der Festsaal unten im
Hotel war Ingrid tatsächlich schutzlos ausgeliefert. Wie hatte ich mich nur
allein auf die Trauung konzentrieren können? Natürlich war auch die Feier am
Abend nicht vor ihr sicher, schimpfte ich mit mir selbst. Warum hatte ich nicht
daran gedacht, Sicherheitskräfte vor dem Saal zu platzieren? Bodyguards mit
Maschinengewehren. Und Tretminen im ganzen Saal, die erst kurz vor der Feier
entfernt werden würden.
Ich sprang aus dem Bett, warf mir den Hotelbademantel über und
rannte nach unten. Vielleicht konnte ich das Schlimmste verhindern. Die
merkwürdigen Blicke, die ich in der Hotellobby auf mich zog, störten mich nicht.
Ich musste meine Hochzeit retten und meinen Traum konnte mir nur eine höhere
Macht geschickt haben, die nicht wollte, dass an diesem schönsten Tag in meinem
Leben doch noch alles schief ging. Ich riss die Tür zum Festsaal mit ähnlicher
Wucht wie Ingrid in meinem Traum auf. Da lag er vor mir. Ganz friedlich, sehr
dezent geschmückt und unheimlich cool. Ich sackte in mich zusammen wie ein Ballon,
aus dem man die Luft herausgelassen hatte.
Nun war es offiziell: Ich war paranoid. Ich litt unter einem
ausgeprägten Ingrid-Verfolgungswahn. Direkt nach der Hochzeit würde ich einen
Psychologen besuchen, sonst würde ich irgendwann nicht mehr über die Straße
gehen können, ohne unter jedem Stein, hinter jedem Gebüsch und an jeder Ampel
meine Schwiegermutter zu vermuten.
Belämmert schlich ich durch die Hotelhalle zurück und wartete auf
den Lift nach oben. Plötzlich spürte ich die Blicke der anderen Leute in der
Hotelhalle wie spitze Nadeln auf meiner Haut. Dummerweise war die Lift-Tür
verspiegelt und ich konnte meine derangierte Hochzeits-Hochsteck-Frisur, mein
vom Schlafen zerlaufenes Make-Up und meinen Hotelbademantel eingehend
betrachten. Ich war paranoid und peinlich.
Wieder zurück auf dem Zimmer überlegte ich kurz, ob ich mich ganz
einer Depression hingeben, mich ins Bett legen und für den Rest des Tages die
Decke über den Kopf ziehen sollte. Ein schöner Gedanke. Nur leider ging das
nicht. Erstens würden in gut einer Stunde 75 Gäste unten auf mich warten.
Zweitens konnte ich meinem frischgebackenen Ehemann schlecht gestehen, dass mir
im Traum seine Mutter erschienen war und unseren Festsaal mit
Hawaii-Blumenkränzen dekoriert hatte. Und dass ich mich deswegen von der Welt
und unserer Hochzeit verabschieden wollte. Es war schon schwer genug, ihm zu
erklären, warum ich in meinem Aufzug mal kurz zum Luftholen gegangen war. Eine
bessere Ausrede war mir nicht eingefallen, als er mich irritiert fragte, wo ich
gewesen sei.
Also zog ich mein Hochzeitskleid wieder an, richtete Frisur und
Make-Up und trank dankbar das Glas Champagner, das Rigoletto zur Feier des Tages aufs Zimmer bestellt hatte. Erstaunlich, welchen Einfluss
ein Schluck Alkohol im Blut auf die Laune haben konnte. Ich fühlte mich sofort
besser und das Schreckgespenst Ingrid wurde in meinem Kopf ein bisschen
kleiner. Diese Erfahrung machte Igerich wahrscheinlich täglich. Kein Wunder, dass er den Alkoholpegel immer auf hohem
Niveau hielt.
Leicht beschwipst - ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen -
ging ich schließlich mit Rigoletto nach unten, wo
bereits die ersten Gäste eingetroffen waren. Ein paar Begrüßungsgläser Champagner
später war ich ordentlich beschwippst , dafür aber
bester Laune. Der Festsaal sah immer noch so aus wie er sollte und Ingrid und Igerich waren sowohl angezogen als auch blumenlos
erschienen. Alles würde gut werden. Daran glaubte ich solange, bis der erste
Gang des Essens vorbei war. Dann stand Ingrid auf und hielt eine Rede. Bis
zuletzt hatte ich gehofft, dass sie zumindest diese eine Aufgabe Igerich als Vater überlassen würde. Natürlich wurde ich
enttäuscht.
„Liebes
Brautpaar, liebe Hochzeitsgäste!“, begann Ingrid und ich ahnte Böses. Bestimmt
würde sie gleich FKK-Urlaubsfotos aus den 70ern an die Wand projektieren. Oder
das unvorteilhafte Bild von mir im Golf-Urlaub, schlafend auf der Sonnenliege.
Oder Ähnliches. „Du bist verrückt!“, schimpfte ich mit mir selbst und immerhin
gelang es mir,
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