Schwiegertöchter (German Edition)
es gefaltet über den Arm, fand das dann aber unpassend für Ostlondon und hängte es sich über die Schultern. Sie blieb vor der Fensterscheibe einer großen Bank stehen, um den Effekt darin zu bewundern. Es sah angemessen nonchalant aus. Sie stellte den Jackettkragen auf und machte sich auf nach Norden zur Shoreditch High Street und dem Arnold Circus, wo Charlotte und Luke ein schuhkartongroßes Apartment im fünften Stock bewohnten.
Jed ging die kurze Treppe vom Studio runter, um die Tür aufzumachen. Er sah sich einer gut aussehenden Frau gegenüber, die ein bisschen älter als seine Mutter war und Sachen anhatte, in denen diese nicht mal begraben sein wollte. Jeds Mutter trug Jeans und Cowboystiefel und das Haar fiel ihr immer noch offen über den Rücken. Diese Dame sah aus, wie Jed sich weibliche Tory-Parteigänger vorstellte. Er war nicht sicher, was er sagen sollte, also stand er einfach da und glotzte.
»Ist Luke da?«, fragte Marnie.
Jed kratzte sich am Kopf. »Ähm, na ja, könnte schon sein. Sind Sie von irgendeinem Wohltätigkeitsverein?«
»Nein«, sagte Marnie. »Ich bin seine Schwiegermutter, und Sie sind Jed, Sie waren bei seiner Hochzeit.«
Jed spürte heiße Schamesröte den Nacken hinaufkriechen. »Ach herrje …«
»Das macht nichts«, beruhigte ihn Marnie freundlich. »Es ist immer schwer, Menschen in anderer Umgebung wiederzuerkennen. Und Sie haben mich schließlich nicht erwartet.«
»Nein …«
»Und Luke auch nicht. Ist er da?«
Jed zog die Tür ein bisschen weiter auf. Er schämte sich, sie anzusehen. Er erinnerte sich vage an einen großen Hut bei der Hochzeit, von dem jemand gesagt hatte, dass er Charlottes Mutter gehöre, aber der Hut hatte kein Gesicht gehabt, an das er sich nun erinnern könnte.
»Flitzen Sie rauf«, sagte Jed. »Er ist oben. Tut mir leid.«
Marnie schenkte ihm ein Lächeln, von dem sie hoffte, dass es ebenso nett war wie das des Sikhs. Sie zwängte sich an ihm vorbei und ging die Treppe hinauf. Jed zog die Tür mit lautem Knall hinter sich zu, lehnte sich an die Mauer und tastete in seiner Tasche nach einem Päckchen Kaugummi. Charlottes Mutter, verdammt. Was zum Teufel machte sie hier?
»Marnie!«, rief Luke. Er war tatsächlich vollkommen verblüfft. Als er vom Hocker aufsprang, riss er einen Pappbecher Kaffee zu Boden.
»Oh …«
»Kein Problem«, sagte Luke und bückte sich danach. »Fast leer.«
»Ich habe dich überrascht.«
Luke richtete sich mit dem Kaffeebecher in der Hand wieder auf. »Total umgehauen, Marnie.«
»Ich dachte, wenn ich dich vorher anrufe, dann musst du es Charlotte erzählen.«
»Na ja, ich …«
»Und ich möchte nicht, dass du es Charlotte sagst, verstehst du. Es soll eine richtige Überraschung sein.«
Luke stellte ein bisschen unbehaglich fest: »Das ist es wirklich.«
Marnie sah sich um. »Können wir hier reden?«
Luke wich aus: »Ich bin – also, ich arbeite eigentlich.«
»Es dauert nur zehn Minuten.«
»Ist – ist es dringend?«
Marnie lächelte ihn an. »Nun, alles, was mit Charlotte zu tun hat, ist wichtig, oder? Darüber sind wir beide uns doch einig, nicht wahr?«
»Natürlich.«
»Könnten wir rauf in eure Wohnung gehen?«
»Ja.«
»Ich bin noch nie dort gewesen. Charlotte hat gesagt, ich dürfte sie erst sehen, wenn ihr Vorhänge habt. Mir sind die Vorhänge natürlich völlig egal, aber es sollte wohl alles perfekt sein, bevor ich es zu sehen kriege.«
»Perfekt ist es nicht unbedingt«, sagte Luke. »Aber zumindest ist das Bett gemacht. Ich sollte dich lieber warnen, es ist eine ziemliche Kletterei. Fünf Stockwerke.«
»Ich bin dabei«, sagte Marnie aufgeräumt.
Luke sah sie an. Sie spielte schließlich auch noch Tennis.
»Okay«, entschied er.
Er warf einen Blick auf seinen Bildschirm. Was er gerade machte, war nicht dringend, doch ließ er sich trotzdem nicht gern dabei unterbrechen. Aber nun war er schon unterbrochen worden, und zwar von etwas und jemandem, dem er mehr Pflichtgefühl als Neugierde entgegenbrachte. Er beugte sich vor, um den Bildschirmschoner einzustellen.
»Lass uns hochgehen«, sagte Luke.
Die Wohnung war charmant, dachte Marnie, aber wirklich unmöglich klein. Während Luke Kaffee machte, wusch sie sich die Hände in dem winzigen Badezimmer – keine Badewanne, nur eine Dusche, und am Duschvorhang fehlte die Hälfte der Ringe – und stellte angetan fest, dass das einzige Ablagebrett mit Charlottes Kosmetikprodukten vollgestellt war. In dieser Hinsicht hatte sich
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