Schwiegertöchter (German Edition)
fragte Kit mit prüfendem Blick.
»Nein.«
»Soll ich deine Nase putzen?«
»Kit, alter Junge, lass Grandpa mal einen Moment in Ruhe, bitte, ja?«
Kit legte, so gut er konnte, die Arme um Anthonys Oberkörper, als wolle er ihn hochhieven. Petra blieb hocken und sah zu, wie Anthony sich schwankend und unbeholfen, verknäult mit seinem Enkel, erhob.
»Da!«, sagte Kit triumphierend.
»Ich danke dir.«
In einer schnellen, fließenden Bewegung erhob Petra sich vom Boden. »Wir gehen wieder.«
Anthony breitete Arme und Hände in einer hilflosen Geste aus.
»Hast du Rachel gesehen?«
»Ich bin deinetwegen gekommen.«
»Hör zu«, sagte Anthony. »Ich kann mir vorstellen, wie unglücklich das alles für dich gelaufen ist. Ich weiß, wie schwierig Ralph sein kann. Ich weiß, du willst nicht in Ipswich oder London oder wo auch immer wohnen, aber was – was ist nur in dich gefahren zu glauben, ein anderer Mann wäre die Lösung?«
Kit fing an, im Atelier herumzustöbern, Barney hatte auf dem Boden eine Walnuss gefunden und versuchte, sie in ein Loch an der Seite eines Sessels zu stecken. Petra beobachtete die beiden eine Weile und sagte dann: »Er ist keine Lösung. Er hilft mir, da durchzukommen.«
»Aber wir sind auch noch da! Wir sind immer da gewesen! Wir sind immer da gewesen, um zu helfen, du hättest nur fragen müssen, ein Flüstern hätte genügt!«
»Ich kann nicht andauernd dankbar sein«, sagte Petra.
»Wir wollen keinen Dank, wir erwarten keinen Dank …«
Petra sagte ruhig: »Ich kann nicht immer nur das tun, was ihr wollt. Ihr – vergesst.«
»Wir vergessen was?«
»Dass nicht alle das wollen, was ihr wollt. Manche Menschen wollen viel weniger .«
»Wenn weniger wollen darauf hinausläuft, eine Ehe kaputt zu machen …«
»Ich habe sie nicht kaputt gemacht. Ich habe nicht angefangen.«
Anthony sah sie zum ersten Mal, seit sie gekommen war, direkt an. »Was soll das heißen?«
Petra zuckte mit den Schultern. »Wir sind gut zurechtgekommen, so wie es war. Wir sind am Anfang bestens zurechtgekommen, nur mit dem Cottage und dem Strand. Dann hat sich alles verändert. Ich aber nicht. Ich will, was ich immer gewollt habe. Ich habe es gewusst, als ich das Cottage zum ersten Mal gesehen habe.«
»Aber dieser Mann …«
Petra bückte sich, um Barney wieder auf den Arm zu nehmen.
»Ihr seid alle so auf diesen Mann fixiert.«
»Aber natürlich sind wir das!«
Petra sah ihn über Barneys Kopf hinweg an. »Ihr kapiert es nicht, oder?«
»Nein.«
»Das ist dann eure Sache«, schloss Petra. Sie sah sich nach Kit um, der am Tisch herumtrödelte und Anthonys Zeichenmaterialien betrachtete, deren Durcheinander für ihn offenbar vollkommen übersichtlich war. »Aber ich wollte herkommen und euch sagen, egal, was passiert, ich weiß, wie gut ihr zu mir gewesen seid, und dafür bin ich dankbar.«
Anthony sagte heiser: »Wirst du noch zu Rachel gehen?«
Petra schüttelte den Kopf und streckte ihre freie Hand nach Kit aus.
»Wirst du wiederkommen?«
»Vielleicht«, sagte Petra.
»Petra …«
»Ja?«
Anthony musterte sie, wie sie da stand mit ihren löchrigen Sneakers und Barney auf dem Arm und Kit, der neben ihr auf und ab hüpfte. Er sagte hölzern: »Ich weiß nicht, warum ich dir für dein Kommen danken sollte, aber ich tue es trotzdem.«
»Ich dachte, du wolltest mich nicht sehen«, meinte Petra.
Anthony sah erst Kit und dann Barney an. Er fühlte sich von Traurigkeit wie von einem Gewicht erdrückt.
»Das dachte ich auch«, sagte er.
»Lange nicht gesehen«, sagte Mario, der Kaffeeverkäufer, zu Sigrid.
»Eine Woche.«
»Eine Woche! Lange, lange nicht gesehen.«
»Ihr Italiener.«
»Bella ragazza«, sagte Mario wie aufs Stichwort, lächelte und reichte Sigrid ihren Kaffee und ein kleines weißes Papiertütchen mit einem Biscotto darin.
Sie ging mit dem Kaffee in der Hand die Gower Street runter. Es war ein grauer Tag, aber der Himmel war hoch und hell, und in der Luft lag ein frischer Hauch, der auf das Ende der langen warmen Tage hindeutete, in denen sie nur im Pullover und ohne Strümpfe zur Arbeit gehen konnte. Sie war nur eine Woche weg gewesen, aber es war eine unerwartet intensive Woche gewesen, die in keiner Weise so abgelaufen war, wie sie das geplant hatte, und von der sie seltsam desorientiert zurückgekehrt war. Als wäre ihr das Leben sowohl in Stockholm als auch in London fremd geworden, als hätte sie ihr vertrautes Dasein für etwas aufgeben wollen – oder zumindest
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