Schwiegertöchter (German Edition)
beinahe –, das am Ende überhaupt nicht so war, wie sie sich das ursprünglich vorgestellt hatte.
Vielleicht könnte die Arbeit wieder etwas Vertrautheit zurückbringen. Vielleicht würden das Labor und die Fragmente aus Holz, Stoff und Glas, die auf sie warteten, ihr den Halt und das Gleichgewicht wiedergeben, die sie am Anfang des Sommers gefühlt hatte. Auf dem Rückflug war es ihre heimliche Hoffnung gewesen, dass dieses Gleichgewicht friedlich mit Edward auf sie warten würde, aber als sie nach Hause kam, fand sie dort Ralph vor, abgemagert und aufgedreht. Er behauptete, dass er keineswegs nervös sei wegen seines ersten Arbeitstages am Montag, sondern nur ungeduldig, endlich anfangen zu können, und ihr blieb nichts weiter übrig, als die gastfreundliche Schwägerin zu sein und ihm ein Badetuch zu besorgen. Edward fragte auf eine etwas bemühte Weise, ob sie eine schöne Zeit gehabt hatten, und Mariella, die den Kühlschrank nach Begrüßungsleckereien durchsuchte, antwortete:
»Weißt du, Daddy, die Insel war echt total komisch, als wären sie da alle gestorben .«
Und Sigrid bemerkte Edwards unverhohlene Erleichterung, als er lachte.
An ihrem Platz im Labor war alles so, wie sie es verlassen hatte, und dennoch wirkte es eindeutig so, als habe ihn jemand benutzt und anschließend Sigrids Ordnung mit größter Sorgfalt wiederhergestellt. Alle wünschten guten Morgen und erkundigten sich höflich nach Schweden. Ihr Chef freute sich, dass sie wieder zurück war, da gerade eine sehr interessante Probe aus Süddeutschland gekommen sei, die haargenau in ihr Fachgebiet falle. Rotschopf Philip trieb sich eine Weile in ihrer Nähe herum, dachte sich Dinge aus, auf die er hinweisen, nach denen er fragen konnte, aber dann wurde er mit irgendeinem Auftrag bedacht und blieb glücklicherweise für zwei ruhige, ernste, konzentrierte Stunden weg, bis er plötzlich neben Sigrids Ellbogen wieder auftauchte. Draußen sei jemand, der sie sprechen möchte.
»Es ist elf Uhr«, wehrte Sigrid ab. »Ich arbeite.«
»Das habe ich auch gesagt. Ich hab ihm gesagt, dass Sie arbeiten.«
»Dann sagen Sie es ihm bitte noch einmal.«
»Er meint, er sei Ihr Schwager.«
Sigrid blickte vom Bildschirm auf. »Schwager?«
Philip grinste. »Luke?«, fragte er hoffnungsvoll. »Hat er gesagt, sein Name sei Luke?«
Sigrid seufzte genervt. Sie stand von ihrem Stuhl auf.
»Vielen Dank, Philip?«, sagte Philip.
Sie starrte ihn an. »Danke …«
»Ich muss das nicht tun, wissen Sie«, setzte Philip hinzu. »Ich muss keine Nachrichten überbringen oder Aufträge erledigen. Ich habe einen sehr guten Abschluss in Informatik und Technologie von der Nottingham Trent University, und man muss mich nicht wie jemanden aus dem Postraum behandeln.«
»Tue ich das?«
»Ja«, antwortete Philip. »Andauernd. Selbst wenn ich Ihnen Blumen mitbringe.«
Sigrid steckte leicht betroffen die Hände in die Taschen ihres Laborkittels, aber bevor sie noch etwas sagen konnte, war Philip bereits verschwunden.
Luke wartete im nüchternen Eingangsbereich des Laborgebäudes. An der Wand gegenüber dem Empfangstresen befand sich eine Stuhlreihe, deren Sitze mit beigem Tweed bezogen waren, aber Luke stand, die Hände in den Taschen, vor dem schwarzen Brett, an dem Informationen über sämtliche akademischen Veranstaltungen und Vorlesungen akribisch aufgelistet waren. Er drehte sich um, als Sigrid hereinkam.
»Danke dir.«
»Ist etwas passiert?«
»Nein – niemand ist krank«, beschwichtigte Luke. »Nichts in der Art. Ich bin nur …«
»Was?«
»Na ja«, sagte er. »Ich wollte nicht zu euch nach Hause kommen, weil es mir lieber wäre, wenn das unter uns bliebe …«
Sigrid bedeutete ihm, sich hinzusetzen.
»Hast du Probleme?«
»Nein«, entgegnete Luke. »Doch. Gewissermaßen. Es ist – wegen Charlotte.«
»Charlotte?«
»Es geht ihr gut«, sagte Luke. »Es geht ihr wirklich gut. Es ist nur, dass sie – und meine Mutter …«
Er brach ab. Luke und Sigrid musterten einander eine Weile stumm. Dann seufzte Sigrid.
»Ach«, sagte sie. »Das.«
Kapitel 17
Marnie fuhr in letzter Zeit nicht mehr oft nach London. Tatsächlich war sie seit dem Tod von Charlottes Vater kaum mehr da gewesen und hatte nur für die beiden Tage dorthin gelockt werden können, die Charlotte für die Suche nach einem Hochzeitskleid angesetzt hatte. Es waren anstrengende Tage gewesen, erinnerte sich Marnie, mit einer ganz extrem unbequemen Übernachtung auf dem Sofa in Charlottes
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