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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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genügend Geld und einen Mann und eine Tochter, für die sie die Größte war. Es war ihre Aufgabe, Edward in Zeiten familiärer Krisen zu unterstützen, vor allem wenn er als ältester Sohn das Gefühl hatte, dass alle eine Lösung von ihm erwarteten, ihm diese Lösung aber nicht einfiel. Es war nicht ihre Aufgabe, ihn abzuwimmeln und sich zu weigern, ihm zu helfen, oder ihm zuzuhören und ihn dann anzuschreien, wenn er einen empfindlichen Nerv traf, was er niemals aus Bosheit tat, sondern nur, weil er, wie alle Männer, manchmal ungeschickt war.
    Sie nahm das Sandwich wieder auf. Aber jetzt kam noch ein weiterer Faktor dazu. Charlotte. Die hinreißende Charlotte, das Nesthäkchen ihrer Familie und offensichtlich verhätschelt, besonders von ihrer Mutter, die nach dem Tod von Charlottes Vater ganz in der Rolle der Mutter und Großmutter aufgegangen war. Wie würden sich Rachel und Anthony gegenüber Charlotte verhalten? Würde Luke sich zu Charlottes Verteidigung gegen seine Eltern stellen, wenn sie ihn dazu aufforderte? Wie würde es Luke gelingen, die Erwartungen der Brinkleys auszubalancieren? Und wie würde Charlotte mit Petra zurechtkommen und mit dem Platz, den Petra im Herzen der Brinkley-Familie einnahm? Sigrid schluckte einen Bissen Sandwich. Irgendwie fühlte sie sich beim Gedanken an Charlotte besser, weniger ausgeschlossen, mehr in der Lage, die Situation als etwas zu betrachten, womit man fertig werden konnte. Sie putzte sich noch einmal die Nase, strich ihr Haar zurück und blickte sich suchend nach jemandem um, der ihr einen Kaffee bringen könnte.
    Ein Mann stand vor ihr. Er war etwa in ihrem Alter, trug einen dunklen Anzug und hielt ein Glas Wein und eine Flasche Wasser in den Händen. Über seiner Schulter hing eine schwarze Ledertasche, und mit der Hand, die das Weinglas hielt, deutete er auf den Sessel neben Sigrid.
    »Dürfte ich mich neben Sie setzen?«, fragte er.
    Mit kaum wahrnehmbarem Lächeln sagte Sigrid: »Nein danke, ich wollte gerade meine Mutter in Schweden und dann meine Schwägerin anrufen. Beantwortet das Ihre Frage?«
    Mariella saß auf der Treppe. Sie hatte unter dem Vorwand, jemandem ihre Rechtschreibübungen zu zeigen, in die Küche gehen wollen, um ihre Mutter eine Weile mit Beschlag zu belegen, bevor sie von ihr ins Bad geschickt wurde, war aber davon abgekommen, als sie ihre beiden Eltern in enger Umarmung dort entdeckte.
    Als Mariella jünger war – viel jünger –, hatte sie es gehasst, ihre Eltern bei einer Umarmung zu ertappen, in die sie nicht eingeschlossen war, und hatte sich dann immer zwischen sie gedrängt, so dass sie mehr mit ihr als miteinander beschäftigt waren. Jetzt war sie zwar erleichtert, sie so zu sehen, weil das wohl bedeutete, dass sie sich nicht scheiden ließen, ein Glück, aber sie wünschte sich doch, dass sie bald damit aufhören und sich wieder normal verhalten würden, denn es war echt ein bisschen peinlich und unangenehm. Also hatte sie sich auf die Treppe zurückgezogen, beschäftigte sich mit einem Fadenspiel aus lila Wolle, das ihr jemand in der Schule beigebracht hatte, und sang vor sich hin, um womöglich peinliche Geräusche wie Küsse zu übertönen, die aus der Küche kommen könnten, als das Telefon klingelte.
    »Ich geh ran!«, rief Mariella.
    Sie rappelte sich von der Treppe auf und lief durch den Flur zum Telefon. Sie sollte sich mit »Bei Brinkleys« melden, wenn sie ans Telefon ging, aber sie sagte stattdessen immer mit aufsteigender Stimme »Hallo?«, so wie ihre Eltern.
    »Mariella?«
    »Ja.«
    »Mariella, hier ist Charlotte.«
    Mariella überlegte.
    »Charlotte! Deine neue Tante, Charlotte.«
    »Oh!«, sagte Mariella erfreut. »Oh, hallo.«
    »Du warst eine so niedliche Brautjungfer«, sagte Charlotte. »Du hast toll ausgesehen. Alle haben das gesagt. Ich habe mich so gefreut, dass du meine Brautjungfer warst. Was machst du mit deinem Kleid?«
    »Mummy sagt, sie weiß es noch nicht«, antwortete Mariella wahrheitsgemäß. »Man kann in rosa Seide schlecht Rollschuh laufen, oder?«
    »Hat sie das gesagt?«
    »Natürlich«, erwiderte Mariella.
    »Oh.«
    Mariella ging mit dem Telefon zurück zu ihrem Platz auf der Treppe. Sie sagte vertrauensvoll: »Alle machen sich jetzt so Sorgen wegen Ralph und Petra.«
    »Ja«, meinte Charlotte unsicher.
    »Daddy sagt, sie haben genug Geld für Müsli, aber nicht für richtiges Essen. Wir wollen ganz viele Sachen zum Essen für sie machen und ihnen am Wochenende vorbeibringen. Kommt ihr

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