Schwiegertöchter (German Edition)
Sigrid jetzt ihre Stiefel auszog und in die ergonomisch geformten Clogs schlüpfte, in denen sie arbeitete, dachte sie daran, dass Ed erst sehr viel später gestanden hatte, für wie schwierig er es hielt, mit Ralph zusammenzuarbeiten – falls überhaupt eine Arbeit für ihn gefunden werden könnte. Sogar so schwierig, dass er, Edward, ganz und gar nicht wusste, ob er dazu in der Lage wäre. An diesem Punkt hatte Sigrid die Beherrschung verloren. Sie sagte eine ganze Menge über Edwards Einstellung zu seiner Familie und verglich sie mit ihrer Einstellung zu ihrer Familie und sagte dann, dass auch sie es schwierig finden würde, mit ihrem eigenen Bruder zusammenzuarbeiten, aber wenn sie sich dafür entschieden hätte, dann würde sie es einfach tun , der Familie wegen, und nicht ständig deswegen jammern, wie sämtliche Brinkleys es andauernd und über alles taten. Alles war bei ihnen ein Drama. Und dann war sie ins Bad gegangen und hatte die Tür zugesperrt und sich im Spiegel angestarrt, während sie sich die Zähne putzte. Sie hatte sich damit getröstet, dass sie morgen wieder bei ihrer interessanten, unpersönlichen Arbeit im Labor wäre, und selbst wenn es dort den nervigen Philip gab, so zumindest keine Brinkleys und keine Unterhaltungen, die sich im Kreis drehten, und niemanden, der einen um Rat fragte, nur, um ihn dann zu ignorieren.
Und da war sie jetzt mit Clogs und zurückgebundenem Haar, bereit zur Arbeit. In einem versiegelten Kasten, eingewickelt in säurefreies Papier, auf einem Tisch neben dem Beschleuniger und den Mikroskopen lag das Fragment eines mittelalterlichen Stückes Stoff, das eine bedeutende Kirche in Florenz geschickt hatte und dem Sigrid das skeptische Interesse einer lebenslangen Atheistin entgegenbrachte. Sie öffnete die Tür zum Labor und summte beinahe bei der Erwartung des vor ihr liegenden Tages, ohne die saugenden Tentakel familiärer Probleme, und dann sah sie an ihrem Labortisch, genauer auf ihrem persönlichen Hocker, den rotblonden Philip sitzen und in eins ihrer Mikroskope spähen.
Mariella mochte die seltenen Fahrten mit ihrem Vater zur Schule. Sie mochte es, dass ihr Vater groß war – größer als die meisten Väter –, und sie mochte sein schwarzes Auto mit der hellen Innenausstattung, und sie mochte es, mit ihm zu reden, wenn sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Am Wochenende war seine Aufmerksamkeit überall und nirgends gewesen, was bedeutete, dass auch ihre Mutter abgelenkt war, obwohl sie es geleugnet hätte, was am Ende den Triumph mit der amerikanischen Bäckerei und den Törtchen etwas geschmälert hatte. Sicher, sie waren hingegangen, aber Sigrid war nicht mit ganzem Herzen dabei gewesen. Wie die meisten Einzelkinder registrierte Mariella jede noch so kleine Stimmungsschwankung bei ihren Eltern.
»Daddy«, sagte sie, während sie sich auf dem Beifahrersitz anschnallte, »haben Ralph und Petra bald gar kein Geld mehr, nicht mal genug Geld für Cornflakes?«
» Onkel Ralph«, sagte Edward automatisch. » Tante Petra.«
»Petra hat gesagt, ich soll Petra zu ihr sagen. Was macht man, wenn man absolut kein Geld hat, nicht mal genug Geld, um sich ein so winziges Stück Käse zu kaufen, das selbst für eine Maus noch zu klein wäre?«
»So schlimm ist es nicht«, sagte Edward. »Sie haben jede Menge Geld für Käse und Cornflakes.«
Mariella spreizte die Finger. Den kleinen Fingernagel der linken Hand schmückte ein winziges Abziehbild in Form eines blauen Gänseblümchens, das sie kühnerweise für die Schule draufgelassen hatte. »Also geht es ihnen gut?«
»Genau.«
»Ihr redet und redet das ganze Wochenende, und dann sagst du, es ist alles in Ordnung?«, empörte sich Mariella.
Edward lenkte das Auto geschickt vom Bordstein in den fließenden Verkehr. »Es ist nicht ganz so schwarz und weiß. Onkel Ralph muss eine neue Arbeit finden.«
»Damit ihnen nicht das Geld ausgeht?«
»So was, ja.«
»Er könnte Arzt werden«, sagte Mariella. »Oder ein Wettermann. Oder er könnte auf dem Postamt Briefmarken verkaufen. Mummy sagt, es gibt nie genug Leute im Postamt und immer endlose Schlangen.«
Edward bremste das Auto vor der ersten Ampel. »Es dauert sechs Jahre, Arzt zu werden.«
»Uiij«, sagte Mariella bewundernd.
»Und um Wettermann zu werden, braucht man ein wissenschaftliches Diplom, und Briefmarken verkaufen würde wahrscheinlich nicht genug Geld einbringen, um sie alle zu versorgen.«
»Petra könnte arbeiten«, sagte Mariella. »So wie
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