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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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immer gemocht, von ihrem ersten Besuch in Suffolk an, als Edward sie stolz seinen Eltern vorgestellt hatte, wie einen Preis, den er ergattert hatte. Sigrid war in einem guten Stadtteil Stockholms in einer Parterrewohnung aufgewachsen, eingerichtet mit einer Mischung aus kompromisslos modernen Möbeln und alten Erbstücken von der Mutter ihres Vaters, eleganten, grau lackierten Möbeln im Stil König Gustavs. Das farbenfrohe Durcheinander von Anthonys und Rachels Haus an der flachen Küste von Suffolk war für sie eine große Überraschung gewesen. Aber jetzt hatte sie sich daran gewöhnt, ebenso wie an Rachels deftige Küche und an Anthonys lebhafte Emotionen und an die Erwartung, dass jeder Außenstehende es akzeptierte, sich der Brinkley’schen Denk- und Lebensweise zu unterwerfen, weil sie nun einmal – nun ja – die beste war.
    Ihr Sandwich kam auf einem rechteckigen weißen Porzellanteller, garniert mit fächerförmig angeordneten Zuckerschoten. Sie ließ den Blick darauf ruhen. Geräucherter Fisch. Ihre Eltern aßen sicher mitunter jeden Tag geräucherten Fisch. Wenn sie – Sigrid, Edward und Mariella – in Stockholm leben würden, wären sie dann einem stillschweigenden, aber unausweichlichen Druck ausgesetzt, auch täglich geräucherten Fisch zu essen? Würden ihre Eltern, die ihrem Leben und ihren Berufen so ganz ohne Aufheben nachgingen, darauf bestehen, dass Sigrid und ihre Familie mit denselben Regeln und Erwartungen lebten wie sie selbst? Hatte Edward recht? Hatte sie ihre Eltern irgendwie idealisiert, weil sie bequem weit weg in Schweden waren und sich hier nicht dauernd einmischen konnten? Sie biss in ihr Sandwich. War sie unfair gewesen?
    Sie lehnte sich kauend im Sessel zurück und schloss die Augen. Ich bin jetzt seit vierzehn Jahren in England, dachte sie. Seit zwölf Jahren in London. Es gefällt mir hier. Ich mag London, ich mag England, ich möchte nicht nach Stockholm zurück. Aber – sie holte tief Luft, als müsse sie Kraft sammeln, um den Gedanken bis zu Ende verfolgen zu können – obwohl ich für Edward und Mariella und die meisten Menschen, denen ich begegne und mit denen ich arbeite, keine Außenseiterin bin, bin ich für meine Schwiegereltern noch immer eine Fremde. Ich bin für sie Unsere-schwedische-Schwiegertochter. Ich mag freundlich aufgenommen worden sein und soll mich zu Hause fühlen und darf Rachel in der Küche helfen, aber ich bleibe immer ein wenig die Ausländerin, diejenige, die sich ihren Sohn geschnappt hat, bevor er ein englisches Mädchen kennen lernen konnte, und die ihn an einem Ort geheiratet hat, zu dem sie keinen Bezug hatten, und nach einem Brauch, der nicht der ihre war. Und nichts kann das jemals ändern, denn ich wurde in Schweden geboren, und egal wie gut mein Englisch ist – und es ist gut –, spreche ich es mit diesem leichten Singsang, typisch schwedisch, der sie jedes Mal daran erinnert, wenn ich den Mund aufmache.
    Und dann ist da noch Petra. Ich habe nichts gegen Petra. Ich mag sie sogar recht gern. Sie ist als Person zwar nicht unbedingt mein Fall, aber sie ist unkompliziert, weder eifersüchtig noch besitzergreifend oder sonst irgendwie unangenehm, tatsächlich ist sie auf ihre merkwürdige Art sogar ganz reizend, und Mariella liebt sie und mag es, sich um die kleinen Jungs zu kümmern. Aber sie wird anders behandelt als ich. Nicht dass jemand etwas sagen würde, es ist eher eine Grundhaltung. Petra ist Engländerin, sie ist Künstlerin, Petra hat keine Familie, die sie unterstützt oder umsorgt, Petra ist jemand, den sie besitzen und beeinflussen und nach ihren Vorstellungen formen können. Was sie aber nicht bedenken, dachte Sigrid plötzlich wütend, ist, dass jedes Mal, wenn sie Petra noch ein bisschen enger an sich binden, sich der Abstand zwischen ihnen und mir vergrößert, und weil meine Familie nicht in diesem Land ist, spüre ich diesen Abstand, und wenn ich ihn spüre, bin ich manchmal kalt zu Edward, um sie auf diesem Weg zu bestrafen, und dann tut es mir leid, und ich bin wütend auf mich selbst und auf sie und lande in Hotellobbys, wo ich weine und mein teures Sandwich nicht esse.
    Sie öffnete schniefend die Augen, richtete sich auf und holte eine Packung Papiertaschentücher aus ihrer Handtasche. Sie putzte sich entschlossen die Nase. Das war lächerlich. Sie war eine erwachsene Frau, eine Wissenschaftlerin und eine Mutter. Ihre englischen Schwiegereltern waren keineswegs unfreundlich zu ihr. Sie hatte eine schöne Wohnung und

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