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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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schaue in den Himmel und bringe ein bisschen Klarheit in meinen Kopf.
    Es war beruhigend dort unten am Meer. Petra überquerte den tiefen weichen Sandweg, der parallel zur Küste verlief, und kletterte die flachen Dünen hinauf, bis das Wasser sichtbar wurde, stetig heranrollend und blaugrau unter einem wolkenstreifigen Himmel. Ein paar vereinzelte Leute spähten durch Ferngläser und ein junger Mann mit einem T-Shirt des Vogelschutzvereins RSPB baute ein langes Schutznetz ab, das offensichtlich am Strand aufgestellt gewesen war. Petra setzte sich und beobachtete ihn. Er bewegte sich langsam und gleichmäßig, ohne Eile, bückte sich, um Pfähle zu einem ordentlichen Haufen zu stapeln, richtete sich wieder auf, um das Netz zu sich heranzuziehen. Es war ein friedliches Bild, die kräftige Gestalt vor dem Hintergrund der See und des Himmels, Kopf und Schultern hoben sich mal als Silhouette vom glänzenden Wasser ab und wurden dann wieder fast unsichtbar vor dem Sand und den Strandhaferbüscheln. Petra erinnerte sich an das erste Mal, als Anthony sie nach Minsmere mitgenommen hatte, im Frühjahr, es hatten lila Orchideen geblüht und gelbe Schwertlilien, und sie hatte einen kleinen Silberreiher gesehen, der in den seichten Stellen nach Fröschen jagte, elegant und exotisch wie ein japanischer Druck.
    Sie legte sich zurück in den Sand. An der Oberfläche fühlte er sich warm an, war aber kalt, wenn man die Finger hineingrub. Blasse Wolkenfetzen bildeten ein interessantes Muster am Himmel und die gleichmäßigen, eindringlichen Geräusche vom Meer und vom Wind und von den Möwen drangen bis zu ihr, obwohl sich so flach auf den Dünen kein Lüftchen regte. Petra bewegte die Schultern im Sand, um es sich bequem zu machen, und atmete tief ein, ein und aus, ein und aus. Dann schloss sie die Augen, entspannte sich und schlief ein.
    Steve Hadley legte die Netze zu einem losen Haufen zusammen, den er später einsammeln würde, wenn von den Besuchern keiner mehr da und das Reservat leer war. Die Netze hatten während des Frühsommers einige Strandbereiche abgezäunt, um zu verhindern, dass Besucher aus Versehen auf die kleinen Nester der Zwergseeschwalben traten, was immer besonders herzzerreißend war, weil die Vögel oft überhaupt nur zwei Eier legten. Sie selbst waren kaum zwanzig Zentimeter groß, mit einer schwarzen Spitze an ihren gelben Schnäbeln und eleganten schwarzen Köpfen. Steve liebte sie. Aber er liebte die meisten Vögel, warum würde er sonst bei Wind und Wetter seine Tage mit ihnen verbringen, statt mit seinem Vater und seinen Brüdern in dem florierenden Optikergeschäft in Birmingham zu arbeiten?
    Er holte ein Päckchen Kaugummi aus der Tasche. Er hatte sämtliche Nester am Strand untersucht, ob sie leer waren, ob jedes gesunde Ei ausgebrütet worden war, und nun würde er zurück zum Personalraum gehen, um sich einen Kaffee und etwas zu essen zu holen, bevor er sich daranmachte, das Geländer auf einem der Beobachtungstürme am Alleeweg zu untersuchen. Gestern waren ein paar Kinder – große, schwere Kinder – darauf herumgeturnt, und obwohl sie nach einer Ermahnung vorübergehend damit aufgehört hatten, waren sie später wieder dort gesehen worden, wohl um zu beweisen, dass sie sich um Autoritäten einen Dreck scherten, vermutete Steve. Auch der tunnelartige Alleeweg war interessant, aber nicht so sehr wie das Marschland und die Küste. Steve war nirgends so glücklich wie in Hörweite der See.
    Auf seinem Rückweg über die Dünen kam er an einem im Sand schlafenden Mädchen vorbei. Sie schlief fest, so wie es aussah, ihre Hände waren vollkommen entspannt. Sie trug das übliche Outfit der Vogelbeobachter, T-Shirt, Fleeceweste und Turnschuhe, und sie hatte ein Fernglas vom Vogelschutzbund um den Hals. Aus der Umhängetasche neben ihr schaute die Ecke eines Skizzenbuchs hervor. Aber etwas an ihr ließ ihn innehalten, nicht die kleine Schwalbentätowierung an ihrem Hals oder das Gewirr bunter Bändchen um ihr Handgelenk. Es war nicht so sehr ihre äußere Erscheinung, dachte er, sondern eher die Art, wie sie dort im Sand lag. Sie wirkte absolut ungezwungen, vollkommen natürlich. Sie sah aus, als sei sie mit der ausdrücklichen Absicht nach Minsmere gekommen, sich hier in den Dünen oberhalb der See zum Schlafen zu legen.
    Er überlegte, dass er sie eigentlich aufwecken müsste. Sie belästigte zwar niemanden und störte auch gewiss nicht die Vögel, aber das hier war ein Naturschutzgebiet, keine

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