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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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gelangweilt auf zwei verschworene kleine Mädchen aufpassen zu müssen, die felsenfest behaupteten, dass ihre Eltern sie niemals zwingen würden, ihre Mahlzeiten am Tisch einzunehmen. Aber wenn Sigrid am folgenden Tag arbeitete, wie sie es meistens tat, beobachtete Mariella sie während des Essens nur ununterbrochen, ob sie es sich vielleicht doch noch anders überlegen würde.
    Sigrid stellte Kerzen hin, die für sie integraler Bestandteil eines gedeckten Tischs waren, und sagte: »Ich hab nicht wirklich mit ihm gerechnet.«
    »Ich hatte gehofft, er würde kommen. Nachdem ich ihm das Gespräch verschafft habe. Ist das Mariella, die auf ihrem Cello spielt?«
    »Arpeggios«, sagte Sigrid knapp.
    »Ralph …«
    »Ist unhöflich«, sagte Sigrid.
    Edward zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er es nur mal genossen, nicht zum Tee, Bad und Bett zu Hause zu sein. Eine Auszeit.«
    Sigrid legte Baumwollservietten neben die Teller. »Er hat dieselbe Kinderstube genossen wie du. Aber er ist vollkommen anders.«
    »Eben unkonventionell.«
    »Ein Eigenbrötler«, entgegnete Sigrid. »Beinahe ein bisschen autistisch, würde ich sagen.«
    Edward öffnete den Kühlschrank und nahm eine halbleere Weinflasche heraus. Er hielt sie fragend hoch.
    »Bitte«, sagte Sigrid.
    »Wenn Mum anruft«, sagte Edward, während er im Küchenschrank nach Gläsern suchte, »sage ich einfach, sie soll ihn selber fragen, wie es heute gelaufen ist.«
    »Oder du gehst gar nicht erst ans Telefon.«
    Edward drehte sich zu ihr um. »Oh, das könnte ich nicht …«
    Sigrid seufzte. »Du hast genug getan. Du hast ihm das Vorstellungsgespräch für einen Job besorgt, der genau das Richtige für ihn ist, und er scheint einen recht guten Eindruck hinterlassen zu haben, aber er hat sich weder ausdrücklich bei dir bedankt, noch wollte er mit dir darüber reden, sondern lieber mit zwei Fremden trinken.«
    »Bist du sauer?«
    »Auf ihn, ja«, sagte Sigrid. »Auf deine Familie manchmal. Auf deine Mutter mehr als auf deinen Vater.«
    »Wegen …?«
    »Mag sein.«
    »Sigi«, sagte Edward. »Das war vor so langer Zeit. Und wir haben es ihnen nie erzählt. Nicht richtig jedenfalls. Du kannst ihnen nicht vorwerfen, etwas nicht zu wissen, was wir ihnen nie erzählt haben.«
    Die Arpeggios aus dem Wohnzimmer brachen plötzlich ab.
    »Sie hat genau fünfzehn Minuten geübt, wie ich sie gebeten habe«, sagte Sigi. »Keine Sekunde länger.«
    Die Küchentür ging auf. »Fertig«, verkündete Mariella triumphierend.
    »Noch ein paar Tonleitern?«
    »Auf gar keinen Fall.«
    »Fünf Minuten.«
    »Ach nein, bitte, bitte nicht, nein, nein …«
    »Fünf Minuten«, sagte Sigi. »Ich komme und höre dir zu.«
    »Bleibst du die ganze Zeit dabei?«
    »Ja.«
    »Jede einzelne Sekunde, bis ich aufhöre?«
    »Ja«, sagte Sigrid.
    Mariella sah zu ihrem Vater. »Wenn sie hierher zurückkommt, schickst du sie sofort wieder zu mir rüber«, forderte sie ihn streng auf.
    Edward ging mit dem Weinglas zu der Glastür, die aus der Küche auf einen Balkon über einem kleinen gepflasterten Platz führte, wo sie für Mariella einen Ballkorb an einer seitlichen Mauer befestigt hatten. Als sie noch ein Baby war, hatten sie die Möglichkeit erwogen, weiter raus in einen Vorort und in ein größeres Haus zu ziehen, wo Mariella auf einem Rasen spielen und unter einem Baum schaukeln oder sich in Büschen ein Versteck bauen könnte. Aber Edward hatte bald erkannt, dass ein solches Projekt nie mehr als ein Gedankenspiel sein würde, und dass Sigrid ihn damit gewissermaßen bei Laune halten und sich möglichst normal zeigen wollte, um ihn – und sich selbst – vergessen zu machen, dass sie Mariellas erstes Lebensjahr damit verbracht hatte, gegen eine abgrundtiefe und beängstigende Depression anzukämpfen. Sie wollte demonstrieren, dass sie mit jeder Veränderung so locker fertig würde, wie es in ihren Wunschvorstellungen geschah.
    Die Glastür zum Balkon stand offen. Es gab dort zwei Holzstühle mit Armlehnen, aber Edward blieb in der Tür stehen, lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen, die freie Hand in der Hosentasche, und klimperte ruhelos mit dem Kleingeld darin herum. Er nahm einen Schluck. Das war ein furchtbares Jahr gewesen. Eigentlich mehr als ein Jahr, wenn man die Schlussphase einer sehr schwierigen Schwangerschaft dazurechnete. Und dann folgte der langsame, verzweifelte Prozess, bis Sigrids Hormone wieder einigermaßen zur Ruhe kamen. Sie bestand mit unerbittlicher Hartnäckigkeit

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