Schwiegertöchter (German Edition)
…«
»Was?«
»Rachel, wenn Sigrid und Edward ganz eindeutig nicht wollen, dass wir es wissen, dann wissen wir es auch nicht. Hast du gehört? Wir wissen gar nichts.«
Rachel rührte sich nicht.
»Wir wissen es nicht«, wiederholte Anthony.
»Okay«, sagte Rachel widerwillig. Und dann: »Auch nicht, wenn Edward offensichtlich möchte, dass wir es wissen?«
»Er will es nicht«, sagte Anthony.
»Ich will es nicht«, sagte Edward eine Woche später, als seine Mutter ihn ohne Umschweife darauf ansprach.
»Das ist nichts, wofür man sich schämen muss«, meinte Rachel. »Die Mehrzahl der Frauen empfindet so nach der Geburt. Es ist absolut normal. Das sind die Hormone. Es sollte nicht Depression genannt werden.«
Edward sah sie nicht an. Er verspürte einerseits das dringende Bedürfnis, Sigrid zu beschützen, und andererseits einen verzehrenden Zorn, einmal auf sich selbst, weil er sich seine Ängste anmerken ließ, und zum anderen auf seine Mutter, weil sie nicht den Mund halten konnte.
»Es ist nichts«, sagte er. »Sie wollte nach Mariellas Geburt nur ihre Mutter bei sich haben, und jetzt will sie noch ein bisschen länger bei ihr bleiben.«
Rachel lächelte dünn.
»Ich glaube dir nicht«, sagte sie, und Edward verlor die Beherrschung wegen ihres bohrenden Scharfsinns und ihrer Weigerung, sich einmal selbst zurückzunehmen, und schrie sie an: »Kümmere dich um deinen eigenen Dreck!«
Es hätte damit sein Bewenden haben können, dachte Edward jetzt, als er seinen Wein trank und mit dem Kleingeld in der Hosentasche spielte, wenn Rachel sich mit ihrem letztendlichen, wenn auch unbestätigten Sieg zufriedengegeben hätte. Aber sie hatte sich nicht zurückhalten und es nicht lassen können, Sigrid nach ihrer Rückkehr aus Schweden klarzumachen, dass deren Eltern nicht die einzigen Großeltern waren, und dass Mariella als erstes Enkelkind für beide Seiten besonders wichtig und bedeutsam war. Dann hatte sie ihre Hilfe und Unterstützung angeboten und babysitten wollen, und Sigi hatte steif vor Wut zu Edward gesagt, wenn seine Mutter nicht sofort die Wohnung verließe, und möglichst für immer, würde sie auf der Stelle zurück nach Stockholm fliegen und Mariella mitnehmen. Und nachdem Rachel endlich weg war, ging Sigrid auf Edward los und beschuldigte ihn, sie verraten und sein Versprechen gebrochen und seiner Mutter Dinge erzählt zu haben, die sie nie hatte erfahren sollen, und sie warf ihm vor, sich seiner Familie mehr verbunden zu fühlen als seiner Frau und seinem Kind.
Deshalb hatte er es ihr nicht gestanden. Er hatte ihr damals nicht erzählt, wie erschüttert er über ihr Leid gewesen war und wie verzweifelt bei dem Gedanken, womöglich dazu beizutragen oder Schuld daran zu haben, dass so etwas noch einmal passierte. Deshalb hatte er sich, als Mariella zehn Wochen alt war, zur Vasektomie angemeldet und dreihundert Pfund dafür hingelegt, in der festen Überzeugung, das Richtige aus dem richtigen Grund auf die richtige Weise zu tun.
Der Eingriff hatte zehn Minuten gedauert.
»Ihre Libido bleibt davon unbeeinträchtigt«, sagte ein Arzt in seinem Alter zu ihm. »Sie werden dieselbe Menge Samenflüssigkeit produzieren, nur ohne Spermien. In sechs Monaten testen wir Sie noch einmal.«
Nach sechs Monaten hatte er es Sigrid noch immer nicht erzählt. Es bestand ehrlich gesagt keine Notwendigkeit dazu, denn sie kam in kompromisslosen Schlafanzügen ins Bett und machte unmissverständlich klar, dass sie nicht angefasst werden wollte. Er ertrug es, bis Mariella beinahe ein Jahr alt war und bis er die Selbstbehandlungen in der Dusche als ebenso sinnlos wie ekelhaft empfand. Da sagte er es ihr, platzte unvermittelt damit heraus, dass seine Spermienanzahl gleich null war und er allmählich verrückt wurde.
Sie weinte. Sie hatte so viel geweint seit Mariellas Geburt, dass Edward, erschöpft und verwirrt, zunächst geglaubt hatte, es ginge alles wieder von vorn los. Aber dann lächelte sie. Oder zumindest versuchte sie zu lächeln und sagte alles Mögliche zu ihm auf Schwedisch und dann schließlich auf Englisch, dass er wundervoll sei, dass sie ihm so dankbar sei für das, was er getan habe, aber dass sie im Moment die Libido eines Wischlappens habe. Er könnte alles tun, was er wolle, sagte Sigrid lachend, schluchzend, nur müsse er sich damit abfinden, dass sie einfach nur daliege wie ein Fisch auf einem Brett, ein Fisch mit einer Narbe über dem Bauch.
Er trank den Wein aus. Gott, es hatte eine
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