Schwiegertöchter (German Edition)
alles Mögliche zu suchen. Ich hätte das nicht zulassen sollen. Ich glaube, schon deswegen ist Petra dagegen, auch wenn sie es nicht so sagt. Sie sagt sowieso nicht viel. Sie schweigt mich an. So glaubt sie, mich umstimmen zu können.«
»Oder sie hat sich ernsthaft abgekapselt«, überlegte Edward. »Das hat sie schon immer gemacht. Dad hat erzählt, im ersten Unterrichtsjahr hat sie kaum ein Wort gesagt. Wahrscheinlich fühlt sie sich kreuzelend.«
Ralph trank einen Schluck Wasser. »Es steht ihr nicht zu, sich elend zu fühlen.«
»Hey, ganz ruhig …«
»Sie hat seit der Geburt der Kinder nicht wirklich etwas zu unserem Unterhalt beigetragen. Hin und wieder mal ein Bild verkauft, aber nichts von Bedeutung. Wenn sie weiter mit den Jungs spielen und Gemüse anbauen will, dann muss sie im Ausgleich für diese Freiheit ein paar Kompromisse akzeptieren.«
Edward lehnte sich vor.
»Ralph, sie hat dich noch nie in einem Anzug gesehen. Sie hat nie erlebt, dass du zu einer Arbeit mit langen Bürostunden und mit einem regelmäßigen Einkommen pendelst. Du bist so was wie ein pensionierter Hippie gewesen, seit ihr euch kennt. Du kannst ihr nicht vorwerfen, dass diese Veränderung sie ein bisschen verunsichert.«
»Es ist aufregend …«
»Aufregend kann auch beängstigend bedeuten. Kannst du nicht ein paar Monate die langen Pendelfahrten auf dich nehmen, bis sie sich an diesen komischen Fremden im Anzug gewöhnt hat?«
Es verstrichen einige Sekunden, dann sagte Ralph: »Nein. Eigentlich nicht. Ich möchte das anständig machen. Mit voller Energie.«
»Dann willst du also nach Ipswich ziehen?«
»Verdammt, das ist ein Kompromiss!«, sagte Ralph. »Ich möchte auch nicht in irgendeiner Straße in einem Vorort leben, aber ich bin bereit, es zu tun, damit ich zu dem Scheißbahnhof laufen kann.«
»Und wenn Petra nicht nachgibt?«
Ralph lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er heftete seinen Blick auf Edward und sagte: »Deshalb bin ich hier. Ich dachte, darauf hast du vielleicht eine Antwort.«
Edward starrte auf seinen Teller. Ihm kam plötzlich in den Sinn, wie Petra an ihrem Hochzeitstag die Schuhe ausgezogen hatte und so selbstverständlich über den Kies in der Einfahrt gelaufen war, als wäre es ein Teppich.
»Na ja«, sagte er langsam, ohne aufzusehen. »Ich nehme an, dann könntet ihr eben eine Weile nicht zusammenleben. Lass Petra und die Jungs, wo sie sind, und miete dir während der Woche ein Zimmer. Fahr an den Wochenenden nach Hause. Fürs Erste, bis sich alles einrenkt.«
Edward trank mehrere wohltuende Schlucke von seinem Brandy mit Soda. Ein Mädchen kam von der Bar, um die schmutzigen Gläser einzusammeln, wobei sie in ihrem Minirock und den kniehohen Stiefeln so dicht neben ihm stehen blieb, als wäre er nichts weiter als ein Möbelstück. Einmal berührte ihr strumpfhosenbedeckter Schenkel praktisch seinen Arm, aber sie nahm keinerlei Notiz von ihm. Hätte sie sich genauso gleichgültig verhalten, wenn er zehn Jahre jünger wäre? Er sah ihr hinterher, als sie zurück zur Bar ging. Sie war so anders als Sigrid, so anders als Petra, die ihrerseits wieder so verschieden voneinander waren, dass man kaum glauben mochte, dass sie alle demselben Geschlecht angehörten. Das Mädchen von der Bar hätte Petra wahrscheinlich für verrückt gehalten. Die Gelegenheit sausen lassen, in der Stadt zu wohnen? Krank.
Vielleicht war es irgendwie krank, dachte Edward, aber Petra war nur ehrlich mit sich selbst, egal, wie unbequem und unbeugsam dieses Selbst war. Er war hocherfreut über Ralphs Begeisterung für den neuen Job und erleichtert über seine Entschlossenheit, wirklich etwas daraus zu machen. Aber jetzt machte er sich schwere Vorwürfe, dass er ihm vorgeschlagen hatte, vorübergehend getrennt zu leben. Das hätte er nicht tun sollen. Im selben Moment, als er es ausgesprochen hatte und Ralph diese Idee eifrig, zielstrebig aufgriff, befiel ihn eine quälende Reue, wie sie sich häufig nach einer unüberlegten Spontanhandlung einstellt.
»Nur so eine Idee«, hatte Edward hastig hinterhergeschickt. »Nur ein Gedanke. Denk erst mal drüber nach.«
Aber es war zu spät. Ralph sagte, er müsse seinen Zug bekommen, aber sein Blick leuchtete, und als sie vom Tisch aufstanden, nahm er seinen Bruder in eine so innige, feste Umarmung wie schon seit Jahren nicht mehr.
Edward versuchte, seinen Enthusiasmus zu bremsen: »Ich will euch nicht auseinanderbringen, Mann«, und Ralph hatte gelacht und gesagt, sie
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