Schwiegertöchter (German Edition)
den Blick auf sie und sagte: »Da bin ich nicht so sicher«, und plötzlich verschob sich etwas in Charlotte, etwas, das Petra vor ihr geistiges Auge schob, Petra in ihrem komischen kleinen Strickkleid bei der Hochzeit, wie sie Kit in seinem Spiderman-T-Shirt auf dem Arm hielt, und beide waren kreidebleich vor Müdigkeit und wirkten wie aus ihrer Welt geworfen, als hätte man ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen.
Charlotte erwiderte Lukes Blick, lächelte ihn an und sagte: »Ich komme mit.«
»Was?«
»Ich komme mit euch«, wiederholte Charlotte. »Ich fahre am Wochenende mit euch nach Suffolk. Mit dir und Edward. Ist doch klar.«
Er stieß einen kleinen Jubelschrei aus und umarmte sie fest. »Du bist ein Schatz, ein absoluter Schatz; aber angenommen, Ed und ich müssen das allein machen?« Sie sagte in seine Schulter: »Kein Problem. In Ordnung. Ich wäre nur gern da, um dich zu unterstützen.« Und daraufhin fragte sie sich einen Augenblick, ob er wohl weinte.
Er hatte ihr immer wieder gedankt. Er hatte ihr, während sie sich für die Nacht fertig machten, so viel gedankt, dass Charlotte ihn – lachend – auffordern musste, aufzuhören, denn wie viel Dankbarkeit hätte er sonst noch für etwas wirklich Wichtiges übrig? Und er hatte feierlich gesagt: »Das ist etwas wirklich Wichtiges. Für mich.« Eine Mischung aus Reue und Erleichterung überkam sie, Reue über ihr Verhalten in letzter Zeit und Erleichterung darüber, dass sie wieder ihre alte Position auf dem Sie-die-nichts-falsch-machen-kann-Podest innehatte, und das führte sogar so weit, dass sie eine übermäßige Dankbarkeit gegenüber Ralph und Petra empfand, die ebenso befremdlich wie mächtig war.
Als sie jetzt im matten Schein der nächtlichen Stadt und mit nachlassender Übelkeit und Lukes schwerem Arm über ihren Beinen im Bett lag, dachte Charlotte über die Reise nach Suffolk nach. Luke hatte gesagt, dass Sigrid und Mariella nicht mitkommen würden, so dass sie allein mit Edward und Luke wäre. Sie würde anbieten, zu fahren. Sie fuhr gern und war eine gute Fahrerin, und sie würde sagen, dass ihr schlecht wurde, wenn sie nicht fuhr, und nachdem sie die beiden bei Anthony und Rachel abgesetzt hätte, könnte sie sich nach Lust und Laune frei bewegen.
»Die sollte ich mal zeichnen«, sagte Anthony.
Er stand am Küchentisch, der mit Sommergemüse beladen war, Stangenbohnen und Zucchini und Spinat und einem großen Haufen Möhren, deren federartiges Blattgrün wie Haar über die Tischkante hing. Rachel war den ganzen Nachmittag im Garten gewesen, denn es war der Tag, an dem der Gärtner kam. Der hatte schon als Junge angefangen, in diesem Garten zu arbeiten, und für Anthonys Eltern Laub gerecht und den Schubkarren hin und her gerollt und war inzwischen ein eigensinniger alter Mann mit schlechten Augen und kaputtem Rücken geworden. Er und Rachel duldeten einander, aber auch nicht mehr, und ein Nachmittag in Dicks Gesellschaft stellte unweigerlich Rachels Geduld auf eine harte Probe.
Sie machte Tee und warf einen Blick über die Schulter zu dem grünen Haufen auf dem Tisch und sagte: »Weiß nicht, warum ich mir überhaupt noch die Mühe mache.«
Anthony erwiderte nichts. Sein erster Impuls war, etwas Besänftigendes zu sagen wie »Oh, aber ich esse für mein Leben gern Spinat«, doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die beschwichtigende Wirkung gleich null wäre, und außerdem hatte Rachel eher traurig als verärgert geklungen. Er betrachtete sie von hinten, wie sie den Wasserkocher anschaltete, sich hoch zum Küchenschrank streckte, um Teebeutel und Tassen rauszuholen. Sie hatte noch dieselbe hübsche Figur wie bei ihrer ersten Begegnung. Und tatsächlich konnte er manchmal, wenn er sie im Garten graben oder etwas Schweres aus dem Wagen hieven oder sich nach einem Handtuch auf dem Badezimmerboden bücken sah, kaum glauben, dass sie irgendwie älter, irgendwie anders war als das Mädchen, das er auf einem Wanderurlaub in New Wales kennen gelernt hatte. Das Haar hatte ihr damals beinahe bis zur Hüfte gereicht, und sie hatte mit einem leichten walisischen Akzent gesprochen. Den hatte sie jetzt nicht mehr, und das Haar war nur noch kinnlang, aber vieles an ihr war noch genauso wie früher – hier und da vielleicht etwas fülliger, aber im Grunde so wie früher.
Sie drehte sich um und stellte zwei Becher auf den Tisch, in denen die aufgedunsenen Teebeutel unansehnlich an der Oberfläche schwammen. Ohne Anthony anzusehen, sagte
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